Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang der Interessen des Betroffenen gegenüber fehlendem anerkennenswerten öffentlichen Informationsinteresse. Auskunftsunterlassungsanspruch. Verdacht auf Steuerstraftaten
Leitsatz (amtlich)
Bei einem fehlenden anerkennenswerten und gewichtigen öffentlichen Informationsinteresse und ungeschmälerter Unschuldsvermutung des Beschuldigten ist Zurückhaltung geboten und im Einzelfall allein die Abwägung sachgerecht, den rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen Vorrang vor dessen Auskunftsbegehren der Medien einzuräumen und eine Bestätigung zu verweigern.
Normenkette
GG § Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB §§ 1004, 906; AO § 30 Abs. 4 Nr. 5b; SMG § 5 Abs. 1-2; StPO §§ 153a, 170 Abs. 2
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, sich unter namentlicher Nennung des Klägers über den Fund von Aktenordnern mit Unterlagen der Firma U aus dem Ortsteil an der Autobahnausfahrt S im Zusammenhang mit Hinweisen auf mögliches Privatvermögen, dem Verdacht einer Straftat des Klägers wegen Steuerhinterziehung und/ oder Untreue und der Auswertung der Dokumente durch den zuständigen Staatsanwalt, der unter anderem wegen Untreueverdachts im Zusammenhang mit möglicher Vermögensverlagerung nach Liechtenstein gegen den Kläger ermittele, wie gegenüber der Presse im Januar 2007 geschehen, zu äußern.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Unterlassung ihn betreffender Auskünfte der Staatsanwaltschaft an die Presse, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit erteilter Auskünfte.
Er trägt vor, die Staatsanwaltschaft habe sich durch ihren damaligen Pressesprecher anlässlich eines Fundes von Aktenordnern an der Autobahnausfahrt S am 23.01.2007 gegenüber der Presse folgendermaßen geäußert:
„In dem Korb lagen zehn Aktenordner mit Steuerunterlagen der Firma U aus dem Ortsteil C. Die Dokumente, zu denen zahlreiche Kontoauszüge zählen, sollen auch Hinweise auf mögliches Privatvermögen vom Firmengründer A. geben. Oberstaatsanwalt C. erklärte, dass ein anonymer Informant die Finanzverwaltung auf den Fundort der Unterlagen hingewiesen habe. Der zuständige Staatsanwalt, der unter anderem wegen Untreueverdacht in Zusammenhang mit möglicher Vermögensverlagerung nach Liechtenstein gegen A. ermittelt, soll die Dokumente auswerten.”
Einem weiteren Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 13.02.2007 sei zu entnehmen:
„Nach Angaben von C., Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, wird derzeit wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und möglicher Untreue im Zusammenhang mit Vermögensverschiebungen nach Liechtenstein gegen A. ermittelt.”
Der Kläger ist der Ansicht, die Behauptungen des Pressesprechers seien unzutreffend. Die angesprochenen Ermittlungsverfahren seien „uralt” und teilweise eingestellt. Eine Verbindung zu dem Aktenfund bestehe nicht. Die mit der Klage angegriffene öffentliche Äußerung sei angesichts der Spekulation um Akten in einem Wäschekorb an der Autobahn unter Abwägung aller Aspekte rechtlich unzulässig, da seine Persönlichkeitsrechte sowie der Grundsatz der Unschuldsvermutung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Der Pressesprecher habe die ihm obliegende Amtspflicht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt, indem er die Stellungnahme zu dem Fund von Akten mit alten Ermittlungsverfahren gegen den Kläger öffentlich in Verbindung gebracht und damit „den Verdacht behauptet” habe, der Kläger habe eine Steuerhinterziehung begangen sowie rechtswidrig Vermögen nach Liechtenstein verschoben. Er habe eine reine Spekulation im Zusammenhang mit dem Fund von Akten an die Öffentlichkeit von sich gegeben und eine Verbindung hergestellt, die sich im Nachhinein als unzutreffend erwiesen habe. Vorliegend hätte jede Offenbarung über steuerrechtliche Ermittlungsverfahren unterbleiben müssen. Es handele sich nicht um die Mitteilung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens – dieses bestehe schon seit Jahren –, sondern um ein unbestätigtes weiteres Detail in einem laufenden Verfahren. Der Kläger, selbst wenn er im Saarland Person der Zeitgeschichte sei, müsse es nicht hinnehmen, dass sein Name und das Ermittlungsverfahren oder Verdachtsäußerungen über Steuerhinterziehung jedes Mal öffentlich verbreitet würden. Die Straftaten, derer er von der Staatsanwaltschaft zu Unrecht verdächtigt werde, seien nicht bedeutend. Auch deshalb hätte eine Nennung seines Namens unterbleiben müssen. Angesichts der aufgeheizten Stimmung gegen ihn seien die Äußerungen lediglich im Stadium eines vagen Verdachts unverhältnismäßig und vor allem nicht sachlich gewesen. Der Beklagte habe eingestanden, dass sich der Pressesprecher unter Nennung des klägerischen Namens öffentlich gegenüber der Presse geäußert habe. In einem Bericht des Saarländischen Rundfunks am 23.01.2007 werde der Pressesprecher in Bild und Ton entsprechen...