Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht. Asylanspruch. Keine Gruppenverfolgung von irakischen Staatsangehörigen sunnitischen Glaubens
Leitsatz (amtlich)
Gruppenverfolgung einzelner Bevölkerungsgruppen im Irak zu verneinen; kein Anspruch nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG
Normenkette
Richtlinie 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4, Art. 15c; GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 5, 7 S. 2, § 60a Abs. 1 S. 1; AuslG § 51 Abs. 1, § 53 Abs. 6; AsylVfG § 71 Abs. 1, § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; VwVfG § 51
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er stammt aus Kirkuk. Sein Asylerstantrag wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 06.11.2002 (Az.: 3 K 117/02.A) unanfechtbar abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen.
Am 24.01.2008 beantragte der Kläger die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Zur Begründung wurde durch seine Bevollmächtigte im Schriftsatz vom 22.01.2008 vorgetragen, ihm drohe wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gegen die Schutz zu gewähren der irakische Staat oder staatsähnliche Organisationen nicht in der Lage seien. Es wurde auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14.11.2007 (23 B 07.30496) verwiesen.
Mit Bescheid vom 07.03.2008 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 02.05.2002 bezüglich der Feststellung zu Abschiebungshindernissen des § 53 AuslG ab. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in seinem Urteil vom 14.11.2007, wonach im Irak sunnitische Religionszugehörige einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatlicher Akteure ausgesetzt seien, könne nicht gefolgt werden, weil eine für die Annahme einer Gruppenverfolgung anzunehmende Verfolgungsdichte nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht gegeben sei. Auch eine extreme Gefahrenlage, die bei verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde, liege nicht vor. Zwar könnten aus der allgemeinen Lage resultierende Gefahren für Leib und Leben nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Sicherheitslage im Irak sei sehr instabil. Sie stelle jedoch noch keine für die Anwendung des Art. 15c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 erforderliche extreme Gefahrenlage dar. Auch die Versorgungslage begründe keinen Abschiebungsschutz. Der Bescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12.03.2008 zugestellt.
Die Klage ging am 20.03.2008 bei Gericht ein. Der Kläger vertieft sein bisheriges Vorbringen und macht im Einzelnen geltend, die Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens sei im Hinblick auf die geänderte Sach- und Rechtslage gegeben. Er verweist auf Urteile des VG Köln vom 12.10.2007 (Az.: 18 K 6334/05.A), des VG München (Urteil vom 23.01.2008 (Az.: M 11 K 07.50520) und auf Auskünfte von amnesty international sowie des UNHCR. Er bezieht sich außerdem auf ein Urteil des VG Weimar vom 30.04.2008 (Az.: 5 K 2140/07 We), welches ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak festgestellt habe. Der Kläger trägt des weiteren vor, nicht nur die Sachlage, sondern auch die Rechtslage habe sich durch in Kraft treten des Richtlinienumsetzungsgesetzes maßgeblich geändert. Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 24.06.2008 (Az.: 10 C 43.07) und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C 465/07 (Urteil vom 17.02.2009). Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.10.2008 werde die Sicherheitslage im Irak als noch immer verheerend bezeichnet.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.03.2008 zu verpflichten, ein Abschiebeverbot gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen, hilfsweise,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorliegen, weiterhin hilfsweise,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und des Lan...