Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis eines Dienstvergehens
Leitsatz (amtlich)
1. Kein Nachweis eines Dienstvergehens, wenn die Dienstpflichtverletzung lediglich aus dem Vorliegen einer Indiztatsache geschlossen wird, diese Schlussfolgerung aber nicht die einzig realistische ist, sondern daneben auch solche in Frage kommen, die keine Dienstpflichtverletzung beinhalten.
2. Einzelne Fehler in der Arbeitsweise des Beamten stellen regelmäßig noch kein Dienstvergehen dar.
Normenkette
StGB § 206 Abs. 2; BBG § 54 Sätze 1, 3, § 55 S. 2, § 77 Abs. 1; BDG § 8 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 33 Abs. 3, § 37 Abs. 1
Tenor
I. Die Disziplinarverfügung vom 03.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2008 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Durch Disziplinarverfügung vom …2008 verhängte der Leiter der Niederlassung BRIEF S… gegen den Kläger als Disziplinarmaßnahme die Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/25 auf die Dauer von 3 Monaten, die er wie folgt begründete:
“I.
Sie wurden am …1964 geboren.
Nach dem Besuch der Schule begannen Sie am …1980 bei der ehemaligen Deutschen Bundespost und zwar beim damaligen Postamt (V) die Ausbildung als Kfz-Mechaniker.
Sie bestanden am …1984 die Gesellenprüfung und wurden als Arbeiter weiterbeschäftigt. Am …1985 bestanden Sie die Postbetriebliche Prüfung wurden mit Wirkung vom …1987 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Postoberschaffner z.A. ernannt.
In Ihr jetziges Amt als Postbetriebsassistent wurden Sie am …2000 befördert.
Seit dem …1991 sind Sie Beamter auf Lebenszeit.
Im Rahmen der Privatisierung der Deutschen Bundespost wurden Sie zum …1995 in das Nachfolgeunternehmen Deutsche Post AG übergeleitet und am …1996 zur Niederlassung Briefpost, jetzt zur Niederlassung BRIEF S… versetzt.
Zu dem Zeitpunkt der Ihnen vorgeworfenen Verfehlungen im Oktober 2006 waren Sie als Zusteller beim ZSP … eingesetzt.
Ihre Leistungen entsprachen den Erwartungen und Ihre dienstliche Führung war einwandfrei.
Disziplinar sind Sie bisher noch nicht in Erscheinung getreten.
II.
Nach Durchführung der am …2006 eingeleiteten Ermittlungen ist Ihnen folgendes vorzuwerfen:
1. Eigenmächtiges Zurückstellen von ca. 50 PWS der Fa. … am 02.10.2006.
An diesem Tag waren Sie in Ihrem Zustellbezirk eingesetzt. Für die Zustellung am 02.10.2006 wurden Ihnen u.a. PWS für alle Haushalte der Fa. IKEA zugeführt. In die Rückgabeliste der nicht zugestellten PWS haben Sie an diesem Tag keinen Eintrag gemacht.
Bei einer Ablagefahrt zu der zu Ihrem Bezirk gehörenden Ablagestelle Saar wurden am 10.10.2006 ca. 50 PWS der Fa. … in einem Behälter 2 gefunden.
Aus diesem Sachverhalt ist erwiesen, dass Sie diese Postsendungen nicht am 02.10.06 zugestellt, sondern eigenmächtig von der Zustellung zurückgestellt haben.
Diesen Sachverhalt bestätigen Sie auch und bringen vor, dass Sie diese PWS wohl dort vergessen haben.
Weiter wurden ca. 50 PWS ‘Einkauf Aktuell’ in der Ablagestelle gefunden, die Sie am Samstag, 07.10.2006, hätten zustellen müssen. Bei diesen Sendungen war teilweise die Bezirksangabe für Ihren Zustellbezirk abgeschnitten. In dem Meldeblatt über zurück gelieferte PWS haben Sie am 09.10.2006 18 Stück eingetragen und bestätigt, dass der Bezirk ansonsten komplett bedient wurde.
Hieraus ergibt sich mit ausreichender Sicherheit, das Sie auch diese Postsendungen nicht zugestellt, sondern eigenmächtig von der Zustellung zurückgestellt und damit unterdrückt haben.
In der Einleitungsverfügung ist allerdings dieser Tattag nicht angeführt, und da keine entsprechende Ausdehnung der Ermittlungen erfolgt ist, kann Ihnen diese Verfehlung nicht vorgehalten werden.
2. Eigenmächtiges Zurückstellen von ca. 100 PWS der Fa. … am 05.10.2006.
Für die Zustellung am 05.10.2006 wurden Ihnen PWS für Haushalte mit Tagespost der Fa. … übergeben. In der Rückgabeliste für nicht zugestellte PWS haben Sie mit Unterschrift bestätigt, dass keine Sendungen überzählig waren.
Diese Sendungen wurden dann am 12.10.2006 von dem Zeugen A… in der oben angeführten Ablagestelle in dem unteren von drei leeren Behältern gefunden.
Sie wollen, so führen Sie in Ihrer Einlassung aus, von diesem PWS keine Kenntnis haben. Für diese Ablagestelle würden Sie auch nur 40 Exemplare zusammenstellen und bündeln, da Sie für den Schluss der Zustellung nicht mehr brauchen.
Mit diesem Vorbringen können Sie aber nicht durchdringen; ich werte dieses als eine Schutzbehauptung.
Die Behälter standen in der von Ihnen benutzten Ablagestelle, sodass Sie diese Sendungen beim Leeren der Behälter auch gesehen haben. Im Übrigen werden die Behälter für die Ablagestellen von den Zustellern gefertigt. Ihr Vorbringen, dass Sie keine Kenntnis von diesem Sendungen habe, entbehrt daher jeder Grundlage.
Ihr Vorbringen wird auch dadurch völlig unglaubwürdig, dass Sie diese PWS nicht als überzählig mit zum ZSP zurückgenommen haben.
Ich sehe es daher mit ausreichender Sicherheit als erwiesen, dass Sie ...