Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit von Leistungsbeschränkungen im Beihilferecht (hier: Festbetragsregelung) und Ausgleich von Härtefällen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BhVO (Saarland) vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel auf den in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Festbetrag begegnet weder mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Es bedarf allerdings aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn einer ergänzenden Regelung zum Ausgleich von Härtefällen. Diese können im Einzelfall entstehen, wenn der Beihilfeberechtigte – etwa infolge einer chronischen Erkrankung – auf Dauer auf ein Medikament angewiesen ist, dessen Kosten über dem Festpreis liegen, und aus medizinischen Gründen ein Ausweichen auf ein “Festbetragsmedikament” für ihn nicht zumutbar ist.

3. Bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallregelung ist im Rahmen der Fürsorgepflicht § 15 Abs. 7 Satz 1 BhVO entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5; BhV § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. a, § 12 Abs. 2; BhVO § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 7 S. 1; SGB V § 31 Abs. 1 S. 4, § 34 Abs. 1 S. 2, §§ 35, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6; SBG § 67 Abs. 3 S. 7

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der am … 1939 geborene, als Ruhestandsbeamter mit einem Bemessungssatz von 70 vom Hundert beihilfeberechtigte Kläger begehrt Beihilfe zu Aufwendungen für Medikamente, deren Kosten die in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Festbeträge übersteigen.

Mit Datum vom 26.05.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Beihilfe unter anderem zu den Aufwendungen für die Medikamente Motilium, Coversum, Riopan, UroXatral und Nexium mups. Hierfür gewährte der Beklagte mit Beihilfebescheid vom 30.06.2009 eine Beihilfe, wobei er die Aufwendungen des Klägers allerdings jeweils nicht in voller Höhe als beihilfefähig anerkannte. Unter Hinweisnummer 1408 ist in dem Bescheid hierzu ausgeführt, Aufwendungen für Arzneimittel, für die nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Festbetrag festgesetzt worden sei, seien nur bis zur Höhe dieses Festbetrages abzüglich der in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BhVO vorgesehenen Eigenanteilsbeträge beihilfefähig. Die sich hieraus ergebende Beihilfeminderung betrug nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten insgesamt 138,97 Euro.

Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, die erfolgten Kürzungen der Aufwendungen für die ihm nach einem Schlaganfall und nach einer schweren Krebsoperation verordneten Medikamente sei seit Jahren erstmals erfolgt. Von der angewandten Festbetragsregelung habe er zuvor keine Kenntnis gehabt. Er sei auf die verordneten Medikamente auf Dauer angewiesen, und es gehe nicht an, dass bei der Beihilfegewährung Kürzungen vorgenommen würden, von deren Grundlage er als Ruhestandsbeamter vorher nie in Kenntnis gesetzt worden sei. Bei der im Dezember 2004 erfolgten Krebsoperation seien der Magen komplett sowie Galle und Milz entfernt worden. Außerdem leide er nach zwei Lungenembolien und einem Pneumothorax an COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung – englisch: chronic obstructive pulmonary disease), was eine Medikation zur Verbesserung der Atmung erforderlich mache. Nach seiner schweren Operation seien verschiedene Medikamente an ihm getestet worden. Viele habe er wegen des fehlenden Magens nicht vertragen. Letztendlich seien die für ihn verträglichen Medikamente verordnet worden, um deren Erstattung es hier gehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln richte sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 der Beihilfeverordnung (BhVO). Aufwendungen für ein Arzneimittel, für das ein Festbetrag nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch festgesetzt worden sei, seien nach Satz 2 der genannten Beihilfebestimmung nur bis zur Höhe des Festbetrages beihilfefähig. Da für die dem Kläger verordneten Medikamente ein Festbetrag festgesetzt sei, bestehe kein höherer als der zuerkannte Beihilfeanspruch. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (Urteile der Kammer vom 04.03.2008 – 3 K 348/07 und 3 K 1111/07 –) unabhängig davon, ob dem Beihilfeberechtigten die Festbetragsregelung bekannt gewesen sei oder nicht. In einer fehlenden oder unzureichenden Belehrung über einen Beihilfeanspruch sei keine Fürsorgepflichtverletzung zu sehen, weil eine derartige Belehrungspflicht ...

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