Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrerlaubnispflicht eines sog. motorisierten Krankenfahrstuhls
Leitsatz (amtlich)
Der Anwendungsbereich der Übergangsbestimmung des § 76 Nr. 2 FeV, der maschinell angetriebene Krankenfahrstühle früheren Rechts von der Fahrerlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FeV ausnimmt, sofern sie bis zum 30.06.1999 erstmals in den Verkehr gekommen sind und durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen benutzt werden, ist ausschließlich auf die auch nach früherem Recht zum Führen entsprechender Kraftfahrzeuge allein berechtigten Inhaber einer Prüfbescheinigung für motorisierte Krankenfahrstühle nach § 5 Abs. 1 FeV in der bis zum 01.09.2002 geltenden Fassung beschränkt.
Normenkette
StPO § 153 Abs. 1, § 154d; FeV § 4 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2, § 5 Abs. 1, 4, § 76 Nr. 2; StVG § 21; StVZO § 21
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sie zum Führen des Kraftfahrzeuges “Agora” des Typs CE 8 des Fahrzeugherstellers … im öffentlichen Straßenverkehr keiner Fahrerlaubnis bedarf.
Die am … 1956 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Sie ist im Besitz eines seit 01.01.2001 gültigen Schwerbehindertenausweises, der einen Grad der Behinderung von 80 ausweist und das Merkzeichen “RF” enthält.
Bei dem von der Klägerin 2008 käuflich erworbenen Kraftfahrzeug handelt es sich um ein benzinbetriebenes Sonderkraftfahrzeug Krankenfahrstuhl, das über zwei Sitzplätze verfügt und eine Sitzbreite von insgesamt 137,5 cm sowie ein Leergewicht von 285 kg aufweist; die Höchstgeschwindigkeit beträgt 25 km/h. Die Betriebserlaubnis für das Kraftfahrzeug wurde gemäß § 21 StVZO am 23.02.1999 vom Landratsamt Passau erteilt.
Am 10.10.2008 geriet die Klägerin mit ihrem Sonderkraftfahrzeug in eine Polizeikontrolle, woraufhin gegen sie ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG eingeleitet worden war. Dieses Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken am 07.01.2009 gemäß § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld und mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt; zugleich wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine solche Verfahrenseinstellung im Wiederholungsfalle grundsätzlich nicht mehr erfolgen werde.
Daraufhin beantragte die Klägerin mit an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 04.02.2009 die Feststellung, dass sie zum Führen ihres Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Straßen keiner Fahrerlaubnis bedürfe. Hierzu führte die Klägerin an, sie habe aufgrund des Vorfalls vom 10.10.2008 und des sich daran anschließenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung. Durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153 Abs. 1 StPO sei der Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht ausgeräumt worden. Zudem sei sie darauf hingewiesen worden, dass im Wiederholungsfalle eine Verfahrenseinstellung nicht mehr in Betracht komme. Sie sei allerdings der Ansicht, dass sie ihr Kraftfahrzeug auch ohne Fahrerlaubnis führen dürfte. Dies ergebe sich aus den zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges am 23.02.1999 maßgeblichen Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung. Danach seien von der grundsätzlich bestehenden Fahrerlaubnispflicht ausgenommen nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit einem Sitz, einem Leergewicht von nicht mehr als 300 kg und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h. Nach der Übergangsvorschrift des § 76 Nr. 2 FeV in der damals geltenden Fassung sei zudem bestimmt worden, dass als solche von der Fahrerlaubnispflicht befreite, sog. motorisierte Krankenfahrstühle auch nach Bauart zum Gebrauch durch gebrechliche oder behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit höchstens zwei Sitzen, einem Leergewicht von nicht mehr als 300 kg und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h gelten würden, sofern sie bis zum 30.06.1999 erstmals in Verkehr gekommen seien und durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen benutzt würden. Diese Regelungen enthielten ungeachtet der zwischenzeitlich neu gefassten Fahrerlaubnis-Verordnung für Altfälle der vorliegenden Art Bestandschutz. Sie sei daher unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2002 (3 C 39.01) auch ohne körperliche Gebrechlichkeit oder einschlägige Behinderung befugt, ihr Kraftfahrzeug ohne Fahrerlaubnis zu führen.
Mit Schreiben vom 12.03.2009 teilte der Beklagte ...