Entscheidungsstichwort (Thema)
Beseitigungsanordnung für ein gewerblich genutztes Bauwerk außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche. für das eine vor mehr als 30 Jahren erlassene Beseitigungsanordnung behauptet wird
Leitsatz (amtlich)
1. Für das Bestehen von Gegenrechten gegen ein Beseitigungsverlangen ist derjenige, der sich darauf beruft, mit der Folge beweispflichtig, dass die Unaufklärbarkeit der behaupteten Tatsache zu seinen Lasten geht.
2. Vor dem Erlass einer erneuten Beseitigungsanordnung muss die Behörde die erste aufheben oder zumindest eindeutig zum Ausdruck bringen, dass von ihr (vollstreckungsrechtlich) kein Gebrauch gemacht wird.
3. Ist unklar, inwieweit ein angeblich vor Jahrzehnten bereits aufgegriffenes Bauwerk mit dem aktuellen Bestand identisch ist, darf die Behörde eine (erneute) Beseitigungsanordnung erlassen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242; VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 1; BBauG § 11; BauGB §§ 30, 31 Abs. 1-2, § 179; BauNVO 1977 §§ 14, 23 Abs. 1, 3, 5; SVwVG § 18 Abs. 1; SVwVfG § 39 Abs. 1; LBO § 7 Abs. 1, §§ 8, 71; LBO 2004 § 82 Abs. 1-2; LBO 1996 § 88 Abs. 1; LBO 1974 § 104 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen bauaufsichtlichen Bescheid, mit dem ihr die Beseitigung eines Ersatzteillagers und einer daran angebauten offenen Überdachung aufgegeben wurde.
Bei einem Ortstermin am 25.01.2008 stellte die Beklagte fest, dass sich auf dem Grundstück der Klägerin in A…-Stadt, … eine Pkw-Garage mit einer sich daran anschließenden offene Überdachung befand, für die keine Baugenehmigung existiert.
Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 28 “AUF DEM HASPEL” in dessen 4. Änderung, die vom Stadtrat der Beklagten am 21.02.1979 beschlossen, am 26.04.1979 vom Minister für Umwelt, Raumordnung und Bauwesen gemäß § 11 BBauG genehmigt und anschließend ortsüblich bekannt gemacht wurde. Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück ein Mischgebiet mit zwingend vorgeschriebenen drei Vollgeschossen bei geschlossener Bauweise vor. Weiterhin setzt der Plan eine vordere Baugrenze in einem Abstand von etwa 3 m zur Straße und eine hintere Baugrenze mit einem Abstand von etwa 14 m zur Straße fest. Das auf dem Grundstück als Bestand dargestellte Gebäude ist als “abzubrechendes Gebäude” dargestellt. Es befindet sich mit dem vorderen, etwa 4 m breiten und 10 m tiefen Bereich innerhalb der im Bebauungsplan farblich dargestellten überbaubaren Grundstücksfläche und mit dem hinteren, etwa 9,50 m breiten und 6 m tiefen Bereich bereits vollends außerhalb der überbaubaren Grundstückfläche. Überdachte wie nicht überdachte Stellplätze sind nach den Festsetzungen 9 und 10 der Planlegende nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig.
Im Anschluss an eine Anhörung im Hinblick auf eine beabsichtigte Beseitigungsanordnung stellte die Klägerin im Mai 2008 bei der Beklagten einen Bauantrag für die “Errichtung eines Reifenlagers und einer offenen Überdachung” auf dem Flurstück … Weiterhin beantragte sie eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen. Das (im Garagengebäude untergebrachte) Reifenlager befindet sich unmittelbar im Anschluss an das im Liegenschaftskataster dargestellte (eingeschossige) Werkstattgebäude, das auf den Planvorlagen als Wohnhaus bezeichnet ist. Die offene Überdachung schließt unmittelbar an das Reifenlager an; sie ist nur auf der Nordseite auf vier Holzpfosten aufgeständert und auf der Südseite an der Wand des Reifenlagers befestigt. Alle Bauwerke auf dem Grundstück sind grenzständig zur östlichen Nachbarparzelle … errichtet.
Nachdem sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt hatte, dass sich die Bauwerke außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche befinden, beantragte die Klägerin im September 2008 die Befreiung gemäß § 31 BauGB von der im Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche. Weiterhin erklärte sie, dass anstelle des Reifenlagers ein Ersatzteillager errichtet werden solle. Die gemäß § 71 LBO am Verfahren beteiligten Nachbarn stimmten auch diesem Vorhaben nicht zu.
Mit dem streitigen Bescheid vom 20.11.2008 ordnete die Beklagte die Beseitigung des illegal errichteten Ersatzteillagers sowie der offenen Überdachung bis zum 01.02.2009 an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an, dass sie zugleich (aufschiebend bedingt) festsetzte. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, das Baugrundstück liege im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 28 “AUF DEM HASPEL” und widerspreche hinsichtlich der festgesetzten Baugrenzen den planerischen Festsetzungen. Zudem ...