Entscheidungsstichwort (Thema)
rechtswidrige Fahrtenbuchauflage. Aussageverweigerungsrecht, Ordnungswidrigkeitenverfahren
Leitsatz (amtlich)
Fall einer rechtswidrigen Fahrtenbuchauflage wegen fehlender Kausalität des Aussageverhaltens des Fahrzeughalters für die unterbliebene Fahrerfeststellung.
Normenkette
StPO §§ 52, 55; StVG § 4; StVZO § 31a Abs. 1 S. 1; FeV zu § 40 Nr. 7 der Anlage 13
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 12.10.2006 in Form des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2006 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenen Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer eines halben Jahres durch den Beklagten.
Der Fahrer des auf den Kläger zugelassenen PKW Marke …, befuhr am 07.04.2006 um 20.07 Uhr die B 41 in … AS …, Richtung Stadtmitte unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit betrug 60 km/h; die festgestellte Geschwindigkeit betrug abzüglich Toleranz 85 km/h.
Die Bußgeldstelle des Ordnungsamtes der Landeshauptstadt Saarbrücken hörte den Kläger im Ordnungswidrigkeitenverfahren hierzu unter Beifügung einer Radaraufnahme an. Der Kläger sandte den Anhörungsbogen mit dem Vermerk: “Ich mache von meinem Aussageverweigerungsrecht nach §§ 52, 55 StPO Gebrauch” zurück.
Daraufhin ersuchte die Bußgeldstelle die Polizeiinspektion …, Polizeiposten A-Stadt, um Ermittlung des Fahrers. Einem Vermerk des Polizeipostens A-Stadt zufolge berief sich der Kläger gegenüber den ermittelnden Polizeivollzugsbeamten auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. In dem Vermerk heißt es weiter, die auf den Radarfotos abgebildete Person sei nicht der Fahrzeughalter. Ein Vergleich der vorliegenden Fotos mit einem Foto aus der Lichtbildkartei beim Einwohnermeldeamt der Gemeinde A-Stadt habe ergeben, dass es sich bei der auf den Beweisfotos abgebildeten Person um den Sohn des Klägers, Herrn …, handeln könne, der jedoch bei dem Bildvergleich nicht zweifelsfrei als Fahrer habe identifiziert werden können. Der Sohn des Klägers sei unter der Wohnanschrift des Klägers nicht angetroffen worden.
Herrn … wurde daraufhin am 28.06.2006 von der Bußgeldstelle ebenfalls ein Anhörungsschreiben im Bußgeldverfahren übersendet, das unbeantwortet blieb. Daraufhin wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren am 17.08.2006 eingestellt.
Mit Schreiben vom 31.08.2006 hörte der Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Fahrtenbuchauferlegung an. Der Kläger teilte hierauf mit, dass er im Bußgeldverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Bis zum heutigen Tage habe er keine Verkehrsverstöße begangen und könne sich nicht erklären, warum ihm nun die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden solle.
Mit Verfügung des Beklagten vom 12.10.2006 wurde dem Kläger gem. § 31 a StVZO die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer eines halben Jahres auferlegt. In der Begründung heißt es im Wesentlichen, die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h stelle einen erheblichen Verkehrsverstoß dar, der auch bereits nach einem einmaligen Vorfall eine Fahrtenbuchanordnung rechtfertige. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei unmöglich gewesen. Art und Umfang der Ermittlungen der Behörde, den Fahrzeugführer festzustellen, orientierten sich an dessen Erklärung bzw. an der Bereitschaft zur Mithilfe bei der Fahrerfeststellung. Der Kläger habe sich auf das ihm zustehende Aussageverweigerungsrecht berufen. Bei dieser Sachlage müsse er aber die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen. Ein doppeltes Recht, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und gleichzeitig trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, bestehe nicht.
Am 26.10.2006 legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, der Anhörungsbogen im Bußgeldverfahren habe ihn rund sechs Wochen nach dem Vorfall erreicht. Er habe seiner Mitwirkungspflicht genügt, indem er in dem Anhörungsbogen wahrheitsgemäß erklärt habe, nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein. Da ein Ermittlungsverfahren gegen seinen Sohn eingeleitet worden sei, sei die Ermittlung des Fahrzeugführers möglich gewesen. Es sei nicht ersichtlich, wieso dieses Verfahren eingestellt worden sei.
Mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2006 ergangenen Widerspruchsbescheid wies der Kreisrechtsausschuss des Landkreises St. Wendel den Widerspruch des Klägers mit der Begründung, die Vor...