Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedschaft im Abwasserzweckverband „F.”. Vorlage zum Bundesverfassungsgericht
Tenor
Die Verfahren 3 A 302/95, 3 A 32395 und 3 A 329/95 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Das Verfahren 3 A 323/95 führt.
Es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber einzuholen, ob § 7 Satz 2, 2. Halbsatz und § 8 a Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG-LSA) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Februar 1998 (GVBl. LSA 1998 S. 81 ff.) mit Art. 31, 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar ist. Von dieser Unvereinbarkeit ist das beschließende Gericht überzeugt.
Die Verfahren werden bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hierüber ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, daß sie nicht Mitglied beim Beklagten (geworden) sind.
A.
Auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gab es nach 1945 mehrere Tausend kommunale Zweckverbände, darunter auch solche der Wasserwirtschaft. Anfang bis Mitte der Fünfziger Jahre wurden diese aufgelöst. Ihre Aufgaben übernahmen volkseigene und andere Wirtschaftsbetriebe.
Schon die Kommunalverfassung übertrug den Kommunen wieder die Aufgaben der Abwasserentsorgung, um die es in diesem Fall geht. Parallel dazu regelte sie aber nicht den Aufgabenübergang von den nach Umwandlung in Privatrechtsform als Treuhandbetriebe weiter bestehenden Wasserwirtschaftsbetrieben auf die Kommunen, so daß die umgewandelten Wasserwirtschaftsbetriebe z.T. bis in die heutige Zeit hinein die Abwasserentsorgung durchführten.
Gleichwohl begannen die Kommunen kurze Zeit nach dem 03. Oktober 1990 – teilweise aber auch schon früher –, Abwasserzweckverbände zu gründen. Die Motivation hierzu wurde aus vielen Quellen gespeist: Zum einen war die Übernahme von Aufgaben von den bisherigen Wasserwirtschaftsbetrieben zu regeln. Zudem standen Bundesmittel in erheblicher Höhe zur Verfügung, für die nicht die (früheren) Wasserwirtschaftsbetriebe, sondern die neuen Abwasserzweckverbände gleichsam das Auffangbecken ebenso darstellten wie – was heute erst in den Vordergrund gerückt ist – für die erheblichen Verbindlichkeiten dieser Betriebe. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt war die Tatsache, daß durch die Gründung von Zweckverbänden interessante Arbeitsplätze entstanden. Schließlich traten, wie dem Gericht aus anhängig gewesenen Verfahren und zahlreichen Berichten in den Medien bekannt ist, Investoren, Anlagenerrichter etc. oft mit Komplettangeboten (Vorplanung, Anlagenerrichtung, Implementierung von Satzungsrecht, Beitrags- und Gebührenberechnung und Abgabeneinzugssystemen) an die neuen Verbände oder deren mögliche Mitglieder heran. In vielen Fällen wurde der größte Teil der rechtserheblichen Vorgänge (Gründung, Eingehung von Rechtsverpflichtungen etc.) etwa binnen Jahresfrist nach dem 03. Oktober 1990 abgewickelt.
Später wurde deutlich, daß weit mehr Abwasserzweckverbände als tatsächlich erforderlich gebildet worden sind, die zudem oft über fachlich weniger oder nicht geeignetes Personal und teilweise bis heute über weit über den tatsächlichen Bedarf dimensionierte Anlagen verfügen.
Ab etwa dem Jahre 1995 begannen die Abwasserzweckverbände gleichwohl mit der Erhebung von Abgaben. Im Rahmen der folgenden Verfahren der so in Anspruch Genommenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen Heranziehungsbescheide stellte es sich heraus, daß bei der Bildung der Zweckverbände oftmals Rechtsfehler unterlaufen waren.
In vielen Fällen war die Gründung der betreffenden Zweckverbände nicht auf der Grundlage von Gemeinderatsbeschlüssen der beteiligten Kommunen erfolgt. Manchmal lagen sie – wie im vorliegen Fall – zwar vor, jedoch fehlte es an Beschlüssen der betroffenen Gemeinderäte über die Verbandssatzung des Abwasserzweckverbandes. Daneben waren häufig die vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachungen entweder überhaupt nicht erfolgt oder fehlerhaft.
Die u.a. auch vom beschließenden Gericht festgestellten Rechtsfehler veranlaßten den Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt zwischenzeitlich zum Erlaß von sog. „Heilungsgesetzen”, mit denen zur Absicherung der getätigten Investitionen, zur Abwehr von Individualrechtsschutz und zur Sicherung von Einnahmen erreicht werden soll, daß Abwasserzweckverbände auch dann als von Anfang an (im Extremfall also bezogen auf den 03. Oktober 1990) als wirksam gegründet anzusehen sind, wenn ihnen bei ihrer Bildung (auch nach der Rechtsprechung des BVerfG und der oberen Fachgerichte schwerwiegende) Rechtsfehler unterlaufen waren und nicht einmal eine von den betroffenen Gemeinderäten beschlossene Verbandssatzung vorlag. Dies führt dazu, daß Verbände, die etwa fünf Jahre lang u.a. von den Gerichten als rechtlich nicht existent angesehen wurden, nunmehr mit Rückwirkung die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangten, obwohl in ...