Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilung von Gründungsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden
Verfahrensgang
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
A.
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Heilung von Gründungsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden durch das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Sachsen-Anhalt. Im Ausgangsverfahren begehren drei Gemeinden die Feststellung, nicht Mitglied des beklagten Abwasserzweckverbandes zu sein.
I.
1. Mit dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung – KomVerf) vom 17. Mai 1990 wurde die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise im Gebiet der ehemaligen DDR wieder eingeführt (GBl I S. 255). Die Gemeinden hatten danach das Recht und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die Pflicht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln (§ 2 Abs. 1 KomVerf). Die Daseinsfürsorge wurde als Selbstverwaltungsaufgabe den Gemeinden zugewiesen, die damit auch für die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung zu sorgen hatten (§ 2 Abs. 2 KomVerf).
Um die Wasserwirtschaft angemessen zu bewältigen, entschloss sich die Mehrzahl der in der Regel kleinen Gemeinden, die aus der Zeit der DDR bekannte, zentral auf Bezirksebene organisierte Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung durch überregionale Zweckverbände fortzusetzen. Nach der Wiedervereinigung wurde im Gebiet der fünf neuen Länder eine Vielzahl von Abwasserzweckverbänden gegründet. Der Zeitdruck, die mangelnde Erfahrung der Gemeindevertreter und falsche Prognosen über die Höhe des Wasserverbrauchs führten häufig zu Investitionen in überdimensionierte Kläranlagen und Kanalnetze (Gruneberg, Der Neuaufbau der kommunalen Abwasserbeseitigung in den neuen Bundesländern, in: Gottschalk/Püttner (Hrsg.), Die Entwicklung der kommunalen Wirtschaft in den neuen Bundesländern nach 1990, S. 42 ≪55 ff.≫).
2. Die Bildung der Zweckverbände beruhte zunächst auf der neuen Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990, die als Übergangsrecht nach der Wiedervereinigung als Landesrecht fortgalt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EVtr i.V.m. Anlage II Kap. II Sachgebiet B Abschnitt I). Das Gesetz behandelte den Zweckverband in § 61 KomVerf, der bestimmte:
(1) Gemeinden können zur Erfüllung kommunaler Aufgaben Zweckverbände bilden. …
(2) Die beteiligten Gemeindevertretungen beschließen über das Statut, die mittels des Zweckverbandes zu lösenden Aufgaben und die dafür zur Verfügung zu stellenden Mittel.
(3) …
Mit dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 9. Oktober 1992 (GVBl LSA S. 730 ff., im Folgenden: GKG-LSA) wurde das Zweckverbandsrecht in Sachsen-Anhalt umfassend neu geregelt. Es bestimmte die Rechtsstellung der Zweckverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 18 GKG-LSA) und regelte deren Bildungsvoraussetzungen (§ 19 GKG-LSA). Bestehende Zweckverbände hatten ihre Verbandssatzung bis zum Ende der laufenden Wahlperiode der Gemeindevertretungen und Kreistage dem GKG-LSA anzupassen und die Verbandssatzung der Rechtsaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Bis zur Anpassung blieben die Verbandssatzungen unberührt (§ 29 Abs. 1 GKG-LSA).
3. Nachdem das Verwaltungsgericht Halle mit Beschluss vom 14. August 1995 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Abgabenbescheid angeordnet hatte, weil der beklagte Zweckverband nicht ordnungsgemäß gebildet worden sei (LKV 1996, S. 140 ff.), ließ die Landesregierung eine landesweite Erhebung durchführen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die meisten der im Land Sachsen-Anhalt in den Aufbaujahren gebildeten kommunalen Abwasserzweckverbände mit schwerwiegenden Gründungsfehlern behaftet und daher unwirksam seien. Insbesondere seien gründungserhebliche Vorschriften, etwa über Beschlüsse kommunaler Gremien und Veröffentlichungen in Bekanntmachungsorganen, nicht beachtet worden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 1. Februar 1996, LT-Drucks 2/1882, S. 5).
a) Um Gründungsfehler und ihre Folgen zu heilen, entwarf die Landesregierung ein sog. Erstes Heilungsgesetz, das am 10. Juli 1996 in Kraft trat (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit, GVBl LSA S. 218). Es enthielt folgende Neuregelungen in dem GKG-LSA:
§ 19a Rückwirkende Bildung von Zweckverbänden
(1) Wegen Gründungsfehlern nicht gebildete Zweckverbände gelten rückwirkend ab dem Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung ihres Statuts oder ihrer Verbandssatzung als gebildet, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt bestimmt ist. Sind Statut oder Verbandssatzung nicht öffentlich bekannt gemacht, gilt als Zeitpunkt der Bildung des Verbandes der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten Abgabensatzung des Verbandes. Diese Abgabensatzung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil Beschlussfassung und öffentliche Bekanntmachung zu einem Zeitpunkt vor Bildung des Verbandes liegen.
(2) Kommunale Gebietskörperschaften, die Statut oder Verbandssatzung nicht durch das zuständige Organ beschlossen haben, sind berechtigt, innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift gegenüber dem Zweckverband ihren Austritt zu erklären. Verfahrens- oder Formfehler im Zusammenhang mit einer Beschlussfassung über Statut oder Verbandssatzung sind hierbei unbeachtlich. § 16 Abs. 4 gilt entsprechend.
(3) Das Regierungspräsidium stellt den Austritt fest, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und die Abwicklung des Austritts geregelt ist. Die Feststellung kann aus wichtigem Grund verweigert werden. § 140 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt findet keine Anwendung. § 25 Abs. 3 sowie § 19 Abs. 5 gelten sinngemäß.
(4) Die Absätze 1 und 2 finden auf Zweckverbände, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift gebildet werden, keine Anwendung.
§ 19 Abs. 5 GKG-LSA erhielt folgende Fassung:
Die Rechtsaufsichtsbehörde hat die Verbandssatzung und ihre Genehmigung in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt bekanntzumachen. Die Gemeinden und Landkreise haben in der für ihre Bekanntmachungen vorgeschriebenen Form auf die Veröffentlichung hinzuweisen. Der Zweckverband entsteht am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung der Verbandssatzung und der Genehmigung im Veröffentlichungsblatt der Rechtsaufsichtsbehörde, soweit nicht in der Verbandssatzung ein späterer Zeitpunkt bestimmt ist.
§ 140 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt lautete zu diesem Zeitpunkt:
§ 140 Genehmigungen
(1) Satzungen, Beschlüsse und andere Maßnahmen der Gemeinde, die der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen, werden erst mit der Genehmigung wirksam. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn über sie nicht binnen drei Monaten nach Eingang des Genehmigungsantrages bei der für die Genehmigung zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde entschieden ist und die Gemeinde einer Fristverlängerung nicht zugestimmt hat; der Gemeinde ist hierüber auf Antrag eine Bescheinigung zu erteilen. Satz 2 gilt nicht für die Zulassung von Ausnahmen.
(2) – (5)…
b) Eine gegen das Erste Heilungsgesetz erhobene Kommunalverfassungsbeschwerde wies das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt (im Folgenden: LVerfG LSA) mit Urteil vom 3. Juli 1997 als unzulässig zurück, weil die beschwerdeführenden Gemeinden nicht unmittelbar betroffen seien (LVerfG LSA, LKV 1997, S. 411). Es führte zur Begründung aus, die Heilungsvorschrift des § 19a GKG-LSA sei nicht auf Abwasserzweckverbände anwendbar, die noch unter Geltung der DDR-Kommunalverfassung gebildet worden seien. Eine Mitgliedschaft der Gründungsgemeinden im Zweckverband und ein Übergang kommunaler Aufgaben auf den Zweckverband setze nicht nur voraus, dass der Zweckverband rechtlich wirksam gegründet, sondern auch, dass ihm die Rechtsfähigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden sei. Rechtsfähige Zweckverbände hätten in Sachsen-Anhalt erstmalig mit Inkrafttreten des GKG-LSA im Oktober 1992 gebildet werden können. Die Heilungsvorschrift des § 19a GKG-LSA erfasse nur nach diesem Zeitpunkt gebildete Zweckverbände.
4. a) Um eine Heilung der Gründungsfehler der unter dem Regime der Kommunalverfassung der DDR gebildeten Zweckverbände zu erreichen, beschloss der Landtag das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit sowie des Kommunalabgabengesetzes, das am 9. Oktober 1997 in Kraft trat (GVBl LSA S. 878 f. Zweites Heilungsgesetz).
Mit diesem Zweiten Heilungsgesetz wurde der zu § 7 umbenannte § 18 GKG-LSA um einen Satz 2 ergänzt und lautet nun:
§ 7 Rechtsstellung
Der Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts; er besitzt Dienstherrenfähigkeit. Als Körperschaften öffentlichen Rechts entstanden gelten rückwirkend auch diejenigen Zweckverbände, die vor dem 16. Oktober 1992 gegründet worden sind; dabei aufgetretene Gründungsmängel gelten nach Maßgabe von § 8a Abs. 1 als geheilt.”
Die in Bezug genommene Vorschrift des § 8a GKG-LSA entspricht dem § 19a GKG-LSA des Ersten Heilungsgesetzes. Das Zweite Heilungsgesetz ergänzte § 8a Abs. 1 GKG-LSA um einen Satz 4 und lautet nun:
§ 8a Rückwirkende Bildung von Zweckverbänden
(1) Wegen Gründungsfehlern nicht gebildete Zweckverbände gelten rückwirkend ab dem Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung ihres Statuts oder ihrer Verbandssatzung als gebildet, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt bestimmt ist. Sind Statut oder Verbandssatzung nicht öffentlich bekannt gemacht, gilt als Zeitpunkt der Bildung des Verbandes der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten Abgabensatzung des Verbandes. Diese Abgabensatzung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil Beschlussfassung und öffentliche Bekanntmachung zu einem Zeitpunkt vor Bildung des Verbandes liegen. Die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung nach den Sätzen 1 und 2 ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sie in einer anderen als der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Bekanntmachungsform erfolgt ist.”
b) Mit Urteil vom 12. Dezember 1997 stellte das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt die Verfassungsmäßigkeit des Zweiten Heilungsgesetzes fest (LVerfG LSA, LKV 1999, S. 324 f.). Die hiergegen erhobenen Kommunalverfassungsbeschwerden seien unbegründet, weil das Zweite Heilungsgesetz die Gemeinden weder in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletze noch gegen das Rechtsstaatsgebot verstoße.
Ergänzend wies das Landesverfassungsgericht in dieser Entscheidung darauf hin, dass damit keine Aussage über die Mitgliedschaft der betroffenen Gemeinden im Zweckverband getroffen werde. Sollte diese Frage streitig sein, müsse sie von der Fachgerichtsbarkeit entschieden werden (insoweit in LKV 1999, S. 324 f. nicht abgedruckt).
II.
1. Im Ausgangsverfahren steht die Mitgliedschaft der klagenden Gemeinden G., K. und S. beim beklagten Abwasserzweckverband „F.” in Streit.
a) Zur Gründung des beklagten Abwasserzweckverbandes fand am 17. Oktober 1991 eine Sitzung mit den Bürgermeistern von 15 Gemeinden statt, bei der auch die Vertreter der Klägerinnen einen Gründungsvertrag unterzeichneten. Während der Gemeinderat von K. den Beitritt zum Abwasserzweckverband „F.” bereits im August 1990 beschlossen hatte, stimmten die Gemeinderäte von S. und G. im Oktober 1991 dem Beitritt zu. Die anschließende Gründungsanzeige des Abwasserzweckverbandes wurde im Juni 1992 wiederholt, um Zweifel an dessen „juristischem Bestehen” auszuräumen. Nach Inkrafttreten des GKG-LSA wurden im März und April 1993 entsprechend der zwischenzeitlichen Satzungsüberarbeitung die Verbandssatzung und die erste Abgabensatzung des Abwasserzweckverbandes veröffentlicht.
b) Am 22. Juni 1995 beschloss der Gemeinderat von G., die Mitgliedschaft beim Beklagten des Ausgangsverfahrens aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Bürgermeister gegenüber dem Beklagten die fristlose Kündigung und führte zur Begründung u. a. aus, der Zweckverband würde an einem überdimensionierten Klärwerk ohne gesicherte Finanzierung festhalten. Gutachten über Einsparmöglichkeiten in Millionenhöhe würden der Verbandsversammlung vorenthalten. Der Abwasserzweckverband teilte im August 1995 mit, dass eine fristlose Kündigung nicht möglich sei und ein Austritt vom Regierungspräsidium Halle als Aufsichtsbehörde genehmigt werden müsse, an das die Kündigungserklärung weitergeleitet worden sei.
Die Gemeinde G. hat am 18. Oktober 1995 Klage gegen den Abwasserzweckverband erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden sei, hilfsweise, dass sie ihre Mitgliedschaft bei dem Beklagten durch ihr Kündigungsschreiben vom 22. Juni 1995 beendet habe. Zur Begründung trug sie vor, dass der Zweckverband nicht wirksam gegründet worden sei. Sie habe in der „Wende-Euphorie” die mit dem Verbleib in einem finanziell nicht soliden Zweckverband verbundenen Risiken nicht erkannt. Die Geschäftsgrundlage sei weggefallen, weil der Zweckverband keine kostengünstige und DIN-normgerechte Entsorgung gewährleisten könne. Der Verbleib im Zweckverband stelle von allen denkbaren Varianten der Abwasserentsorgung die teuerste dar und sei unzumutbar.
c) Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 teilte die Bürgermeisterin von K. dem Abwasserzweckverband mit, dass die Gemeinde beschlossen habe, aus dem Zweckverband auszutreten, weil der Zweckverband seine Aufgaben bislang nicht erfüllt habe und auch in den nächsten Jahren nicht werde erfüllen können. Der Austritt schade dem Zweckverband nicht, nachdem eine andere Gemeinde dem Zweckverband nachträglich beigetreten sei. Unter dem 22. Dezember 1992 beschloss der Gemeinderat den Austritt aus dem Zweckverband zum 31. Dezember 1992. Diesen Austritt lehnte die Verbandsversammlung des Zweckverbandes in ihrer Sitzung am 25. Februar 1993 mehrheitlich ab. Unter dem 17. November 1994 bat die Gemeinde das Regierungspräsidium Halle um Bestätigung ihres Austritts aus dem Abwasserzweckverband und die Anerkennung der Übernahme der Abwasserbeseitigungspflicht durch die Gemeinde.
Die Gemeinde K. hat am 13. Oktober 1995 Klage gegen den Abwasserzweckverband erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden sei, hilfsweise, dass die Genehmigung ihres Austritts auf ihren Antrag vom 17. November 1994 gemäß § 140 Abs. 1 GO-LSA als erteilt gelte. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, zum Zeitpunkt ihrer Austrittserklärung habe der Abwasserzweckverband noch keine Rechtsfähigkeit besessen, sodass sie ohne weiteres hätte austreten können. Sie habe eine eigene Abwasserentsorgungsgesellschaft gegründet, deren Abwasseranlage sich seit Juni 1995 in Betrieb befinde.
d) Am 1. November 1994 beschloss der Gemeinderat S., aus dem Abwasserzweckverband zum 31. Dezember 1994 auszutreten. Der Abwasserzweckverband lehnte dies ab und verwies auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums Halle, in dem die Notwendigkeit der Genehmigung einer Austrittserklärung dargelegt werde. Am 3. Juli 1995 beschloss der Gemeinderat, die Mitgliedschaft im Abwasserzweckverband „F.” gemäß § 25 Abs. 1 GKG-LSA, § 9 Verbandssatzung aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, hilfsweise zu dem Zeitpunkt, welchen die Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 25 Abs. 4 GKG-LSA bestimmen könne.
Die Gemeinde hat am 15. November 1995 Klage gegen den Abwasserzweckverband „F.” erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden ist, hilfsweise, dass sie ihre Mitgliedschaft bei dem Beklagten gemäß dem Gemeinderatsbeschluss zum 31. Dezember 1994 beendet hat, und weiter hilfsweise, dass sie ihre Mitgliedschaft bei dem Beklagten gemäß Ratsbeschluss vom 3. Juli 1995 aus wichtigem Grund beendet habe. Ihre Begründung deckt sich im Wesentlichen mit dem Vorbringen der Gemeinde G..
2. Mit Beschluss vom 13. August 1998 hat das Verwaltungsgericht Halle die verbundenen Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 7 Satz 2 2. Halbsatz und § 8a Abs. 1 GKG-LSA in der Fassung vom 26. Februar 1998 mit Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar seien (VG Halle, LKV 1999, S. 80 und juris).
a) Auf die Gültigkeit der vorgelegten Heilungsregelungen komme es für die zu treffende Entscheidung an, weil ohne sie „keine rechtswirksame Gründung des Beklagten unter Einbeziehung der Klägerinnen als Mitglieder erfolgt” sei. Die Kammer gehe mit dem Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt davon aus, dass der Beklagte mit seiner Gründung im Jahre 1991 nicht die Stellung einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts habe erlangen können. Außerdem hätten die Voraussetzungen für die Bildung eines Zweckverbandes nach § 61 KomVerf – ein Beitrittsbeschluss und ein von den beteiligten Gemeindevertretungen beschlossenes Statut – nicht vorgelegen. Beim Beklagten habe es sich daher nach der für ihn günstigsten Betrachtung um eine nicht rechtsfähige Körperschaft gehandelt, aus der die Klägerinnen unbeschadet einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung jederzeit und ohne Angabe von Gründen hätten austreten können.
Der Abwasserzweckverband sei nach dem am 10. Oktober 1992 in Kraft getretenen GKG-LSA nicht neu gegründet worden; ebenso wenig sei die bestehende Verbandssatzung nach § 29 GKG-LSA angepasst worden. Erst durch das Zweite Heilungsgesetz gelte der Beklagte als gegründet, weil hierdurch die fehlende Beschlussfassung der Mitgliedsgemeinden über das Gründungsstatut, die fehlerhafte Veröffentlichung sowie die fehlende Genehmigung des Gründungsstatuts durch die Rechtsaufsichtsbehörde geheilt würden. Der umfassende Heilungswille des Gesetzgebers sei klar zum Ausdruck gekommen, so dass es nicht möglich sei, im Wege der Auslegung zu einer abweichenden Auffassung zu gelangen. Der Beklagte sei daher spätestens am 26. April 1993 gegründet worden, dem Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung seiner ersten Abgabensatzung. Dass die Satzung nicht entsprechend dem Bekanntmachungsrecht der Mitgliedsgemeinden bekannt gemacht worden sei, sei nach § 8a Abs. 1 Satz 4 GKG-LSA unbeachtlich. Seither sei die Mitgliedschaft der Klägerinnen nicht beendet worden. Ein Austritt sei von der Verbandsversammlung des Beklagten mehrheitlich abgelehnt und auch durch die Rechtsaufsichtsbehörde bislang nicht genehmigt worden.
b) Das Zweite Heilungsgesetz sei zur Überzeugung der vorlegenden Kammer mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
aa) Die von § 8a Abs. 1 GKG-LSA erfasste Heilung der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Gemeindevertretungen an der Zweckverbandsgründung verstoße gegen das Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Das hieraus folgende Gebot einer abgestuften Volksvertretung werde verletzt, weil die demokratisch legitimierten Gemeindevertretungen bei der Bildung von Zweckverbänden von ihren gesetzlichen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen würden.
bb) Die Heilungsregelungen verstießen auch gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Mit ihrem Inkrafttreten sei die Aufgabe der Abwasserentsorgung kompetenzverlagernd von den klagenden Gemeinden auf den Beklagten übergegangen. Dieser Aufgabenentzug sei nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung über das „Wie” einer Aufgabenerledigung falle in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie, in die der Gesetzgeber durch die Zuweisung der Abwasserentsorgung an einen Zweckverband eingreife, dessen Mitglied die Kommune nicht werden wolle. Zwar sei es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bestimmt habe, dass die Gemeinden sich zur Erfüllung der Abwasserentsorgung zu Zweckverbänden zusammenschließen sollen. Dies rechtfertige jedoch nicht, den Gemeinden zugleich die Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie diesem Gebot nachkommen wollten, zu entziehen und sie an einem „ganz allgemeinen Willensentschluss zur Gründung eines Zweckverbands” festzuhalten, „der ganz offensichtlich ohne Vorlage der entsprechenden Verbandsstatute und ohne nähere Kenntnis des Abwasserbeseitigungskonzepts des Verbands erfolgt” sei.
cc) Die vorgelegten Regelungen verstießen auch gegen die Garantie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Heilung der Gründungsfehler laufe darauf hinaus, den durch fehlerhafte Verbandsbildungen herbeigeführten Zustand in einem Bereich der Staatsorganisation dem Bürger gegenüber abzusichern, der dagegen bereits Rechtsschutz in Anspruch genommen habe. Die Waffengleichheit zwischen Staat und Bürger werde verletzt, wenn der Staat eingreife und dem Bürger eine erlangte Rechtsposition nur deshalb entziehe, um dem Nachteil eines Unterliegens vor Gericht zu entgehen.
dd) Die Heilungsregelungen verstießen zudem gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG). Sie knüpften an abgeschlossene Gründungsvorgänge der fehlerhaften Zweckverbände an und verliehen diesen Rechtswirksamkeit. Hierin liege eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die nicht ausnahmsweise gerechtfertigt sei.
Die Gemeinderäte hätten im Zeitpunkt der Gründungsvorgänge davon ausgehen dürfen, dass für die Bildung eines Zweckverbandes entsprechend der damals geltenden Regelung des § 61 KomVerf nicht nur ein Beitrittsbeschluss, sondern auch eine Beschlussfassung über das Verbandsstatut erforderlich gewesen sei. Selbst wenn sie im Einzelfall angenommen haben sollten, dass bereits der Beitrittsbeschluss für die Bildung des Zweckverbandes ausreichend sei, sei diese Vorstellung wegen der eindeutigen Regelung des § 61 KomVerf unbeachtlich.
Ein Ausnahmefall, in dem eine Rückwirkung wegen einer unklaren und verworrenen Rechtslage zulässig sei, habe im Hinblick auf die Eindeutigkeit von § 61 KomVerf nicht vorgelegen.
Schließlich lägen auch keine zwingenden Gründe des gemeinen Wohls für eine Rückwirkung vor. In der Wendezeit der Jahre 1990 bis 1992 habe die Abwasserversorgung nicht so darniedergelegen, dass man gezwungen gewesen sei, bei der Gründung von Zweckverbänden ohne die ernsthafte Beteiligung von Gemeinderäten auszukommen. Auch heute würde die Abwasserversorgung nicht zusammenbrechen, wenn den betroffenen Gemeinderäten die Möglichkeit eröffnet würde, sich für oder gegen den Beitritt zu einem bestimmten Zweckverband zu entscheiden.
ee) Art. 20 Abs. 3 GG sei auch im Hinblick auf die angeordnete Heilung von Bekanntmachungsmängeln verletzt. Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips sei es, Normen so zu veröffentlichen, dass sich der davon Betroffene verlässlich von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen könne. Dies sei bei Anwendung des § 8a Abs. 1 GKG-LSA weder hinsichtlich der Verbandssatzung noch der Abgabensatzung der Fall.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist unzulässig. Das Verwaltungsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, dass es für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der vorgelegten Normen ankommt.
I.
Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt die vorgelegten Bestimmungen des Zweiten Heilungsgesetzes bereits am Maßstab der Landesverfassung geprüft hat. Die Feststellung der Vereinbarkeit des Landesgesetzes mit der Landesverfassung durch das Landesverfassungsgericht führt nicht zur Unzulässigkeit der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG. Eine Richtervorlage zum Bundesverfassungsgericht ist nicht deswegen unzulässig, weil eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts zum gleichen Prüfungsgegenstand ergangen ist (BVerfGE 2, 380 ≪388 f.≫; 17, 172 ≪179 f.≫; 34, 52 ≪58≫; 55, 207 ≪224 f.≫).
Der Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG steht auch nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b 2. Halbsatz GG, § 91 Satz 2 BVerfGG entgegen. Sie kann über die kommunale Verfassungsbeschwerde hinaus nicht auf andere Verfahrensarten erstreckt werden. Entsprechendes gilt für die Subsidiaritätsklausel in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG (BVerfGE 17, 172 ≪180≫).
II.
Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Halle ist jedoch unzulässig, weil die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Normen nicht dargelegt ist. Das Verwaltungsgericht hat weder die Wirksamkeit der Austritts- und Kündigungserklärungen der klagenden Gemeinden des Ausgangsverfahrens hinreichend überprüft noch ist es auf die Frage eingegangen, ob die zur Prüfung gestellte Norm die Unwirksamkeit der erklärten Austritte und Kündigungen bewirken kann. Schließlich hat das Verwaltungsgericht Halle nicht dargelegt, dass die Heilung von Bekanntmachungsfehlern durch § 8a Abs. 1 GKG-LSA in den vorgelegten Verfahren entscheidungserheblich ist.
Nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das Gericht in der Begründung der Vorlage angeben, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsnorm abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Der Vorlagebeschluss muss aus sich heraus, ohne Beiziehung der Akten, verständlich sein und mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der Regelung zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 35, 303 ≪306≫; 68, 311 ≪316≫; 69, 185 ≪187≫; 74, 236 ≪242≫; 78, 1 ≪5≫; 88, 70 ≪73 f.≫). Dabei muss das vorlegende Gericht den Sachverhalt so weit aufklären, dass die Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Normen feststeht und die Vorlage deswegen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 25, 269 ≪276≫; 42, 42 ≪50≫). Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage fehlt, solange die Möglichkeit besteht, dass das vorlegende Gericht den Rechtsstreit in dem von ihm gewünschten Sinne entscheiden kann, ohne die für verfassungswidrig gehaltene Norm anzuwenden (vgl. BVerfGE 58, 153 ≪157 f.≫; 64, 251 ≪254≫).
Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit legt das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 7, 171 ≪175≫; 44, 322 ≪335≫). Der Vorlagebeschluss muss diese Rechtsauffassung mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen. Eine im Vorlagebeschluss lediglich im Ergebnis – ohne nähere Darlegung – zugrunde gelegte Auffassung bindet jedoch nicht. In einem solchen Fall ist dem Bundesverfassungsgericht verwehrt, die fehlende Begründung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Entscheidungserheblichkeit der Vorlage durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Diese müssen Aufgabe des Fachgerichts bleiben (vgl. BVerfGE 97, 49 ≪62≫). Eine Vorlage ist deshalb unzulässig, wenn nach dem Stand des Ausgangsverfahrens nicht feststeht, ob die zur Prüfung gestellte Norm entscheidungserheblich sein wird.
III.
Nach diesen Maßstäben hat das vorlegende Gericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht hinreichend dargelegt.
1. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der beklagte Abwasserzweckverband auf Grund des Zweiten Heilungsgesetzes „spätestens” zum 26. April 1993 rückwirkend als wirksam gegründet gilt. Es hat dargelegt, dass der Abwasserzweckverband zuvor weder nach § 61 KomVerf i.V.m. dem Reichszweckverbandsgesetz noch nach dem GKG-LSA als rechtsfähige Körperschaft entstanden war.
a) Hieraus folgt für das Verwaltungsgericht, dass die Mitgliedsgemeinden jederzeit und ohne Angaben von Gründen aus dem nicht rechtsfähigen Zweckverband „austreten” konnten (ebenso LVerfG LSA, LKV 1997, 411 ≪412≫). Trifft dies zu, dann stellt sich die Frage, ob die Gemeinden nicht durch ihre Austritts- und Kündigungserklärungen den Zweckverband verlassen haben und sich an diesem Rechtszustand durch das Zweite Heilungsgesetz nichts mehr ändern konnte.
Diese Frage stellt sich nicht erst bei der Entscheidung über die Hilfsanträge der klagenden Gemeinden, sondern bereits bei den Hauptanträgen, nicht Mitglied des Abwasserzweckverbandes geworden zu sein. Wäre das Zweite Heilungsgesetz gültig, gilt nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts der beklagte Zweckverband zwar rückwirkend als wirksam gebildet. Mit dem rückwirkenden Entstehen des Zweckverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist aber zumindest in den Fällen, in denen einzelne Gemeinden vor Inkrafttreten der rückwirkenden Norm Austritte oder Kündigungen erklärt haben, noch keine Aussage darüber getroffen, mit welchem Mitgliederbestand der Zweckverband als rückwirkend entstanden gilt. Sollten die klagenden Gemeinden des Ausgangsverfahrens wirksam aus dem beklagten Zweckverband ausgeschieden sein, bevor das Zweite Heilungsgesetz in Kraft getreten ist, könnten sie trotz rückwirkender Entstehung des Zweckverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts möglicherweise nicht dessen Mitglieder geworden sein, falls sie ihn bereits zuvor verlassen hatten. Die Gemeinden wären dann sowohl bei Gültigkeit als auch bei Ungültigkeit des Zweiten Heilungsgesetzes nicht Mitglieder des Zweckverbandes geworden. Entscheidungserheblich wären die vorgelegten Bestimmungen demnach nur, wenn diese Regelungen den Austritts- und Kündigungserklärungen der Gemeinden des Ausgangsverfahrens die Wirksamkeit entzogen hätten oder diese nie wirksam gewesen wären.
b) Wenn der Abwasserzweckverband „F.” bis zum Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes als eine nicht rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts anzusehen war, deren Mitglieder jederzeit und ohne Angabe von Gründen austreten konnten, dann waren die Gemeinden K. und S. auf Grund ihrer Austrittserklärungen vom 16. Dezember 1992 und 1. November 1994 sowie die Gemeinde G. wegen ihrer Kündigung vom 22. Juni 1995 möglicherweise zu dem für die Rechtswirkungen des Zweiten Heilungsgesetzes maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr Mitglieder des beklagten Zweckverbandes.
Das im Juli 1996 in Kraft getretene Erste Heilungsgesetz erfasste nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ohnehin nicht die nach § 61 KomVerf gebildeten und deshalb unwirksamen Zweckverbände. Mit Blick auf das Zweite Heilungsgesetz führt das Verwaltungsgericht nur aus, dass seit dem 26. April 1993 die Mitgliedschaft der klagenden Gemeinden nicht beendet worden sei. Dass das Verwaltungsgericht diese Behauptung trotz deren Austritts- und Kündigungserklärungen nicht erläutert, ist ein erheblicher Darlegungsmangel der Vorlage.
Dies gilt zunächst für die Gemeinde K., die im Dezember 1992 ihren Austritt aus dem Zweckverband beschlossen und erklärt hatte. Wenn die Gemeinde im Dezember 1992 wirksam aus dem Zweckverband ausgetreten ist, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Gemeinde durch das Zweite Heilungsgesetz rückwirkend noch Mitglied des Beklagten hätte werden können. Denn der Abwasserzweckverband „F.” gilt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erst im April 1993 als wirksam gegründet.
Die Austritts- und Kündigungserklärungen der beiden anderen Gemeinden wurden zwar nach diesem Gründungsdatum – im November 1994 und Juni 1995 – abgegeben. Für sie gilt ebenso wie für die Gemeinde K. aber der Einwand, dass sich die Vorlage nicht zu der Frage verhält, wie die Rechtsfolgen der Austritts- und Kündigungserklärungen zu bewerten sind, wenn das Ausscheiden aus einem nicht rechtsfähigen Zweckverband wie dem Beklagten des Ausgangsverfahrens jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich gewesen sein soll. Als die Gemeinden ihren Austrittswillen erklärten, war das Zweite Heilungsgesetz vom Oktober 1997 noch nicht in Kraft und eine rückwirkende Heilung nicht eingetreten. Aus der Vorlage ergibt sich nicht, dass die Erklärungen der Gemeinden rechtlich folgenlos waren oder deren Rechtsfolgen durch das Zweite Heilungsgesetz rückwirkend beseitigt wurden.
2. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus nicht erörtert, ob die Gemeinden des Ausgangsverfahrens ihre Mitgliedschaft in dem Abwasserzweckverband nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit wirksam gekündigt hatten. In diesem Zusammenhang hätte zunächst geprüft werden müssen, ob und inwieweit das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Ausgangsverfahren anwendbar ist und welche Bedeutung die Genehmigungsfiktion des § 140 Abs. 1 GO-LSA hat. Erst im Anschluss an eine solche Prüfung würde sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Regelungen stellen.
a) Neben dem vom Verwaltungsgericht angenommenen freien Austrittsrecht der Gemeinden bestand seit dem Inkrafttreten des GKG-LSA im Oktober 1992 ein gesetzliches Kündigungsrecht für Mitglieder eines Zweckverbandes. Es räumte den Verbandsmitgliedern das Recht ein, einvernehmlich aus dem Zweckverband auszuscheiden oder ihre Mitgliedschaft aus wichtigem Grund aufzukündigen, stellte Ausscheiden und Kündigung aber unter den Genehmigungsvorbehalt der Kommunalaufsichtsbehörde (§ 25 Abs. 1 und 3 GKG-LSA i.d.F. vom 9. Oktober 1992 = § 14 Abs. 1 und 3 GKG-LSA i.d.F. vom 26. Februar 1998, GVBl LSA S. 81 ff.).
Das Verwaltungsgericht geht in seiner Vorlage von der Anwendbarkeit der Kündigungsvorschriften nach dem GKG-LSA aus. Sein Hinweis, das Regierungspräsidium Halle habe eine Genehmigung zum Austritt nicht erteilt, wäre unerheblich, wenn es dieser Genehmigung nicht bedürfte. Diese Auffassung wäre aber besonders erklärungsbedürftig gewesen. Zwar legt das Gericht seiner Entscheidung die Auffassung des Landesverfassungsgerichts zugrunde, nach der sich das GKG-LSA in seiner Fassung vor dem Zweiten Heilungsgesetz auf Gründungs- und Anpassungsverfahren bezog, die nach seinem Inkrafttreten im Oktober 1992 stattfanden, und nicht auf zuvor gemäß § 61 KomVerf gegründete und deswegen rechtsunwirksame Zweckverbände wie den Abwasserzweckverband „F.”. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die einschränkenden Austrittsvoraussetzungen des GKG-LSA im Ausgangsverfahren überhaupt anwendbar waren. Des Weiteren ist die Frage unbeantwortet, wie sich das Kündigungsrecht nach dem GKG-LSA zu dem vom Verwaltungsgericht angenommenen freien Austrittsrecht der Mitgliedsgemeinden eines unwirksamen Zweckverbandes verhält.
b) Aber auch wenn man von der Geltung der Kündigungsvorschriften des GKG-LSA für nach § 61 KomVerf gegründete Zweckverbände ausgehen würde, könnten die Kündigungserklärungen der klagenden Gemeinden wirksam gewesen sein. Zwar hätten die Kündigungen dann der kommunalaufsichtlichen Genehmigung bedurft, welche das Regierungspräsidium nach Aktenlage nicht erteilt hat. Diese Genehmigung gilt jedoch gemäß § 140 Abs. 1 GO-LSA in der damals geltenden Fassung als erteilt, wenn über die Genehmigung nicht binnen drei Monaten nach Eingang des Genehmigungsantrags bei der für die Genehmigung zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde entschieden ist und die Gemeinde einer Fristverlängerung nicht zugestimmt hat. Der Eintritt dieser Fiktionswirkung hätte im Ausgangsverfahren geprüft werden müssen.
Es ist nicht offensichtlich, dass § 140 Abs. 1 GO-LSA auf die Kündigungs- oder Austrittserklärungen der Gemeinden nicht anwendbar war. Nach der Generalverweisung in § 27 Abs. 1 GKG-LSA i.d.F. vom 9. Oktober 1992 galten für Zweckverbände die Vorschriften für Gemeinden sinngemäß. Die Austritte und Kündigungen waren nach Inkrafttreten der Gemeindeordnung am 1. Juli 1994 erklärt oder wie im Fall der Gemeinde K. gegenüber dem Regierungspräsidium Halle wiederholt worden. Vor diesem Hintergrund hätte das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob die Kündigungserklärungen rechtliche Wirkung entfalteten, weil das Regierungspräsidium Halle von der Austrittserklärung der Gemeinde K. und der Kündigungserklärung der Gemeinde G. Kenntnis hatte. Auch zu den Austritts- und Kündigungserklärungen der Gemeinde S. verhält sich die Vorlage nicht.
Soweit durch das Erste Heilungsgesetz vom Juli 1996 die Vorschrift des § 140 Abs. 1 GO-LSA auf Kündigungserklärungen für nicht (mehr) anwendbar erklärt wurde, stünde diese Rechtsänderung einer bereits eingetretenen Fiktionswirkung schon aus Zeitgründen nicht entgegen. Als der Gesetzgeber im Juli 1996 die Anwendbarkeit des § 140 GO-LSA auf Zweckverbandskündigungen gestrichen hatte, waren die Austritte und Kündigungen der klagenden Gemeinden bereits erklärt worden und war die Frist von drei Monaten abgelaufen.
Das Verwaltungsgericht erläutert auch nicht, ob die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 GO-LSA vorliegen und die Gemeinden auf Grund seiner Fiktionswirkung nicht mehr Mitglieder des Abwasserzweckverbandes „F.” sind, obwohl die Gemeinde K. sich hierauf ausdrücklich berufen hat.
3. Der Vorlage kann auch nicht entnommen werden, dass sie davon ausgeht, die Rückwirkung des Zweiten Heilungsgesetzes beziehe sich nicht nur auf Gründungsformfehler, sondern wolle auch bereits vorgenommenen Austritten und Kündigungen rückwirkend die Rechtswirkung entziehen. Ausführungen hierzu wären ebenfalls nicht entbehrlich gewesen. Aus dem Zweiten Heilungsgesetz ergibt sich nicht ohne weiteres, es wolle die Zweckverbände in deren ursprünglichen Bestand erhalten und zwischenzeitlichen Kündigungen oder Austritten die Wirksamkeit versagen. Eine solche Auslegung hätte in der Vorlage erläutert werden müssen.
Dass sich die Rückwirkung des Zweiten Heilungsgesetzes nicht nur auf Gründungsfehler bezieht, sondern auch bis zu dessen Inkrafttreten vorgenommene Austritte und Kündigungen erfasst, ist nicht offensichtlich. Das zeigt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dessau (vgl. VG Dessau, LKV 1999, S. 472 und VwRR MO 2000, S. 45 ≪53≫). Es hat dem Zweiten Heilungsgesetz eine solche Rückwirkung nicht eingeräumt, jedenfalls dann nicht, wenn eine Mitgliedsgemeinde nach der aus Rechtsgründen fehlgeschlagenen Gründung des Zweckverbandes und vor dem Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes die ihr nach damaliger Rechtslage zukommenden Aufgaben in Angriff genommen und die hierzu erforderlichen Satzungen erlassen habe. Das Zweite Heilungsgesetz bezwecke lediglich die Heilung von Gründungsmängeln, nicht die rückwirkende Beseitigung eines zwischenzeitlich eingetretenen Rechtszustandes. § 8a GKG-LSA enthalte keine Festlegungen darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen Verbandsmitglieder eines mit Gründungsfehlern belasteten Zweckverbandes vor dem Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes aus dem Zweckverband ausscheiden könnten. Ähnliche Überlegungen hätte auch das vorlegende Verwaltungsgericht Halle anstellen können und zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsnormen auch müssen.
4. Die Vorlage legt darüber hinaus nicht dar, dass die Heilung von Bekanntmachungsfehlern durch § 8a Abs. 1 GKG-LSA entscheidungserheblich ist. Das Verwaltungsgericht begründet die Verfassungswidrigkeit von § 8a Abs. 1 Satz 2 GKG-LSA damit, dass ein Zweckverband wirksam gebildet werden könne, selbst wenn Statut oder Verbandssatzung – wie in diesem Fall – nicht öffentlich bekannt gemacht worden seien. Als Zeitpunkt der Verbandsbildung gelte dann der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten Abgabensatzung des Verbandes. Die Behauptung, Statut oder Verbandssatzung seien nicht öffentlich bekannt gemacht worden, belegt und begründet das Verwaltungsgericht nicht, obwohl der Sachverhalt dazu Anlass gegeben hätte.
Das Verwaltungsgericht geht nicht darauf ein, dass der Abwasserzweckverband am 19. Juni 1992 in der Mitteldeutschen Zeitung angezeigt hatte, die Verbandssatzung liege in den Gemeindeverwaltungen und öffentlichen Einrichtungen der Mitgliedsgemeinden aus. Es setzt sich auch nicht mit der Veröffentlichung der überarbeiteten Verbandssatzung vom 25. Februar 1993 in den Amtsblättern der Regierungsbezirke H. und D. und der Landkreise K. und S. auseinander. Damit könnte die überarbeitete Verbandssatzung wirksam öffentlich bekannt gemacht worden sein, so dass es auf die angegriffene Heilungsvorschrift insoweit nicht ankäme.
IV.
Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsnormen nicht hinreichend dargelegt hat, weist die Vorlage weitere Darlegungsmängel auf.
Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es neben der Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪76 f.≫). Das Gericht muss die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen und sich dabei jedenfalls mit nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinander setzen (vgl. BVerfGE 86, 52 ≪57≫). Hierbei muss es die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 47, 109 ≪114 f.≫; 65, 308 ≪316≫; 74, 236 ≪242≫; 78, 1 ≪5≫; 79, 240 ≪243 f.≫; 88, 70 ≪74 f.≫).
1. Das Verwaltungsgericht sieht eine Verletzung des über Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Gemeinden geltenden Demokratieprinzips darin, dass mit dem Zweiten Heilungsgesetz Abwasserzweckverbände rückwirkend gebildet würden, an deren Gründung die Gemeindevertretungen als demokratisch legitimierte Willensbildungsorgane der Gemeinde nicht ordnungsgemäß beteiligt gewesen seien.
Diese Behauptung wird in der Vorlage nicht hinreichend belegt. Es ist vielmehr fraglich, ob die zuständigen Gemeindevertretungen überhaupt übergangen wurden. Alle Gemeindevertretungen der drei klagenden Gemeinden haben sich mit dem Beitritt zum Abwasserzweckverband „F.” einverstanden erklärt. Der Gemeinderat von K. beschloss am 22. August 1990 seinen Beitritt zum Abwasserzweckverband „F.”; der Gemeinderat von S. beschloss dies am 22. Oktober 1991 und der von G. am 29. Oktober 1991. Damit haben alle drei Gemeinderäte als zuständige Willensbildungsorgane dem Beitritt zum Abwasserzweckverband zugestimmt. Dass ihnen dabei nicht das Verbandsstatut vorgelegen hätte oder wesentliche Informationen fehlten, belegt das Verwaltungsgericht nicht. Es behauptet nur, es habe lediglich eine Willensbekundung, aber keine Prüfung stattgefunden. Dies könnte nur durch die Gemeinderatsprotokolle oder die Vernehmung der beteiligten Gemeinderatsmitglieder bestätigt werden.
Aber auch wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass mit den Beitrittsbeschlüssen zum Abwasserzweckverband nicht zugleich über dessen Statut beschlossen wurde, folgt hieraus nicht ohne weiteres eine Verletzung des Demokratieprinzips. Insofern rügt die Vorlage zunächst nur, das Zweite Heilungsgesetz perpetuiere einen Verstoß gegen § 61 Abs. 2 KomVerf. Danach beschließen die beteiligten Gemeindevertretungen über das Statut, die mittels des Zweckverbandes zu lösenden Aufgaben und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel. Die Verletzung dieser einfach-rechtlichen Vorschrift und deren Heilung durch § 8a Abs. 1 GKG-LSA führt aber nur dann zu einem Verfassungsverstoß, wenn Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet, dass gewählte Gemeindevertretungen nicht nur über den Beitritt zu einem Zweckverband, sondern auch über dessen Statut entscheiden. Dass eine solche verfassungsrechtliche Pflicht zur Entscheidung über das Statut eines Zweckverbandes besteht, legt die Vorlage nicht dar.
Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben. Die Norm bestimmt, dass die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren nicht nur auf Bundes- und Landesebene gelten sollen, sondern auch in den Untergliederungen der Länder, den Gemeinden und Gemeindeverbänden (vgl. BVerfGE 83, 37 ≪53≫; 52, 95 ≪111≫ zu Art. 2 Abs. 2 Landessatzung Schleswig-Holstein). Die Vorschrift gewährleistet damit für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG trägt auf diese Weise der besonderen Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften im Aufbau des demokratischen Staates Rechnung. Das Recht auf Selbstverwaltung wird im Rahmen der staatlichen Organisation konstituiert und in den staatlichen Aufbau integriert. Das Grundgesetz hat sich innerhalb der Länder für einen auf Selbstverwaltungskörperschaften ruhenden Staatsaufbau und damit für die gegliederte Demokratie entschieden (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪148≫; 83, 37 ≪54≫).
Über die Gewährleistung einer demokratisch gewählten Volksvertretung für die Kreise und Gemeinden hinaus macht Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG keine Vorgaben dazu, welche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft dem gewählten Gemeinde- oder Kreisparlament vorbehalten sein müssen. Diese Entscheidung trifft der Landesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Befugnis zur Ausgestaltung des Kommunalrechts. Seine Auffassung ist für den bundesverfassungsrechtlichen Maßstab nicht bindend. Nicht jede Verletzung des einfach-rechtlichen Kommunalverfassungsrechts begründet zugleich einen Verfassungsverstoß.
Der durch das Zweite Heilungsgesetz bewirkte Verzicht auf die nach § 61 Abs. 2 KomVerf notwendige Beschlussfassung der Gemeindevertretung über die Verbandssatzung eines Zweckverbandes führt nicht zwangsläufig zu einer möglichen Verletzung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Zweite Heilungsgesetz knüpft an die Willensbildung der gewählten Gemeindevertretungen zur Gründung eines Zweckverbandes an und zwingt ihnen keinen Gründungswillen auf. Darüber hinaus gewährt das GKG-LSA den kommunalen Gebietskörperschaften, in denen nicht das zuständige Organ über Statut oder Verbandssatzung beschlossen hat, ein befristetes Sonderaustrittsrecht (§ 8a Abs. 2 GKG-LSA). Die Vorlage legt nicht dar, dass trotz der Anbindung an eine vorherige Willensbildung innerhalb der Gemeinden und trotz des Sonderaustrittsrechts eine Verletzung des über Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Gemeindeebene geschützten Demokratieprinzips vorliegt.
2. Auch eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG durch das Zweite Heilungsgesetz ist nicht hinreichend dargelegt.
a) Das Verwaltungsgericht stützt sich in diesem Zusammenhang entscheidend darauf, dass mit der rückwirkenden Entstehung des Abwasserzweckverbandes die Aufgabe der Wasserentsorgung auf den Zweckverband übergehe und damit den Gemeinden entzogen werde. Das Verwaltungsgericht rekurriert auf den in der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstab, dass der Entzug einer gemeindlichen Aufgabe durch hoheitliche Übertragung dieser Aufgabe auf einen höheren Verwaltungsträger (sog. Hochzonung) eines besonderen Legitimationsgrundes bedürfe (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪153≫), insbesondere um dem Gemeinwohlinteresse einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪153≫; 83, 363 ≪382≫).
Die Vorlage legt nicht hinreichend dar, dass bei der freiwilligen Gründung eines Zweckverbandes ein Aufgabenentzug in diesem Sinne stattfindet. Die gemeindliche Aufgabe der Abwasserentsorgung wird nicht durch ein Gesetz gegen den Willen der Gemeinden auf einen höheren Verwaltungsträger übertragen. Die Gemeinden haben sich vielmehr freiwillig zur gemeinsamen Erfüllung dieser Aufgabe zu einem Zweckverband zusammengeschlossen, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts diese Aufgabe für die Gemeinden und unter deren Mitwirkung ausübt. Die damit verbundene Aufgabenverlagerung ist Kennzeichen der interkommunalen Zusammenarbeit in Form eines Zweckverbandes. Im Ausgangsverfahren geht es daher nicht um einen Eingriff des Landes in den Bereich kommunaler Aufgaben mit dem Ziel, eine durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Aufgabe den Gemeinden zu entziehen. Das Zweite Heilungsgesetz hatte den Zweck, die freiwillig gebildeten und faktisch bestehenden Zweckverbände entsprechend den gesetzlichen Vorgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts zu etablieren. Die damit zwangsläufig verbundene Aufgabenverlagerung ist mit einem gezielten Aufgabenentzug nur eingeschränkt vergleichbar. Damit ist schon fraglich, ob – wenn überhaupt – der Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG betroffen sein könnte. Das Verwaltungsgericht legt in seiner Vorlage eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG jedenfalls nicht dar, wenn es alleine auf den behaupteten Aufgabenentzug durch die rückwirkende Bestätigung der Zweckverbände abstellt.
b) Soweit in der Vorlage eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG darin gesehen wird, dass mit dem Zweiten Heilungsgesetz auf die Beschlussfassung der Gemeindevertretung über das Statut des Zweckverbandes verzichtet werde, ist dieser demokratische Aspekt bereits mit Blick auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG behandelt worden. Hinsichtlich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG gewinnt er im vorliegenden Fall keine zusätzliche Relevanz.
3. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum schutzwürdigen Vertrauen der Gemeinden und ihrer Gemeinderäte genügen ebenfalls nicht der Darlegungspflicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
a) Die Vorlage begründet ein schutzwürdiges Vertrauen damit, die Gemeinderäte hätten im Zeitpunkt der Gründungsvorgänge davon ausgehen dürfen, dass für die Bildung eines Zweckverbandes entsprechend der damals geltenden Regelung des § 61 KomVerf nicht nur ein Beitrittsbeschluss, sondern auch eine Beschlussfassung über das Verbandsstatut erforderlich gewesen sei. Selbst wenn sie im Einzelfall angenommen haben sollten, dass bereits der Beitrittsbeschluss für die Bildung des Zweckverbandes ausreichend sei, sei diese Vorstellung wegen der eindeutigen Regelung des § 61 KomVerf unbeachtlich. Das schutzwürdige Vertrauen der Gemeinderäte habe darin bestanden, dass ohne wirksame Implementierung der Verbandssatzung der Zweckverband nicht hätte gebildet werden können.
b) Die Behauptung des Verwaltungsgerichts, die Gemeinderäte hätten auf die Unwirksamkeit der Zweckverbandsgründungen berechtigterweise vertrauen dürfen, weil es hierfür nach § 61 KomVerf einer Beschlussfassung über das Verbandsstatut bedurft hätte, wird weder belegt noch ist eine solche Annahme nach dem Ablauf der Ereignisse nahe liegend. Um zu beurteilen, ob die Rückwirkung des § 7 Satz 2 i.V.m. § 8a Abs. 1 GKG-LSA rechtsstaatlich hinnehmbar ist, muss zunächst geklärt werden, in welchem Ausmaß die Rückwirkung der Vorschrift berechtigtes Vertrauen enttäuscht hat. Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das Rückwirkungsverbot nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (vgl. BVerfGE 88, 384 ≪404≫). Eine belastende Rückwirkung ist daher gerechtfertigt, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfGE 72, 302 ≪326≫; 88, 384 ≪404≫).
Legt man die Situation vor Bekanntwerden der Gründungsfehler zugrunde, so ist davon auszugehen, dass die Gemeinden eines – nach später entwickelten Maßstäben – fehlerhaft gegründeten Zweckverbandes die Wirksamkeit dieser interkommunalen Kooperation wollten und auf diese vertraut haben. Die Erwartung, die Vereinbarung über die Gründung eines Zweckverbandes werde auch rechtliche Wirksamkeit entfalten, konnte mithin erstmals durch Bekanntwerden der fachgerichtlichen Rechtsprechung zu den fehlerhaften Zweckverbandsgründungen enttäuscht werden. Gleichzeitig konnte erst ab diesem Zeitpunkt die Erwartung der Unwirksamkeit des Zweckverbandes und ein nunmehr auf diese Unwirksamkeit gerichtetes Vertrauen entstehen. Allerdings herrschte in dem Zeitraum zwischen dem Bekanntwerden der Gründungsmängel und dem Beginn der Gesetzgebungsarbeiten ein Zustand der Rechtsunsicherheit, der über die Zwischenstufe des Ersten Heilungsgesetzes letztlich erst mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Zweiten Heilungsgesetz beendet wurde. Gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen in die Beständigkeit eines bestimmten Rechtszustandes konnten sich unter diesen Umständen kaum entwickeln. Mit diesen Gesichtspunkten hat sich das Verwaltungsgericht nicht auseinander gesetzt. Es sagt nicht, warum die Gemeinderäte von Beginn an auf die Unwirksamkeit der Verbandsgründung vertraut haben sollten, obwohl mit deren Einverständnis der Abwasserzweckverband seine Tätigkeit aufgenommen hat und z.B. die Gemeinde K. im Vertrauen auf die Abwasserentsorgung durch den Verband Baumaßnahmen eingeleitet hatte.
4. Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, die vorgelegten Heilungsregelungen verstießen gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil dem Bürger im Anfechtungsprozess gegen einen Abgabenbescheid des rückwirkend gegründeten Zweckverbandes die Erfolgsaussichten seiner Klage genommen würden, hat es sich mit hierzu nahe liegenden rechtlichen Gesichtspunkten nicht auseinander gesetzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG nicht den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪110≫; 83, 182 ≪194 f.≫; 97, 298 ≪315 f.≫). Die Grenzen eines solchen Entzugs bilden die materiellen Grundrechte und das Rückwirkungsverbot. Das Argument des Verwaltungsgerichts, dem Bürger würden erlangte Rechtspositionen bei der Anfechtung von Beitragsbescheiden entzogen, zeigt daher keine Verletzung des Schutzbereichs von Art. 19 Abs. 4 GG auf.
Abgesehen davon setzt sich die Vorlage nicht mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auseinander, wonach die wegen Fehlens einer gültigen Abgabensatzung rechtswidrigen Abgabenbescheide nachträglich dadurch geheilt werden können, dass eine gültige Abgabensatzung rückwirkend in Kraft tritt (vgl. BVerwGE 50, 2 ≪7 f.≫; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., 2001, § 11, Rn. 59 ff. m.w.N.). Ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen, wegen der anfänglichen Unwirksamkeit der Satzung von einer Gebühren- und Beitragspflicht verschont zu bleiben, sei nicht schutzwürdig, weil sie mit einer Heranziehung hätten rechnen müssen (vgl. BVerwGE 67, 129 ≪131≫). Beiträge und Gebühren würden als Ausgleich für gewährte Sondervorteile erhoben. Der Bürger dürfe nur unter ganz außergewöhnlichen Bedingungen erwarten, dass eine ihrem Wesen nach abgabenpflichtige Leistung abgabenfrei gewährt werden soll. Ein vorangegangener Erlass einer – auch nichtigen – Abgabensatzung schließe eine solche Schutzwürdigkeit aus (vgl. BVerwGE 67, 129 ≪132≫). Selbst bei einem rückwirkenden Wirksamwerden von Abgabensatzung und Zweckverband würde dem Bürger nach dieser Rechtsauffassung in einem Anfechtungsprozess keine schutzwürdige Rechtsposition entzogen. Im Übrigen kann sich die Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides weiterhin aus anderen Gründen als dem der fehlerhaften Verbandsgründung ergeben.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 780424 |
VIZ 2002, 619 |
LKV 2002, 512 |
LKV 2002, 569 |
NJ 2002, 466 |