rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Platzverweis. häusliche Gewalt. Gewaltschutzgesetz. Aufenthaltsverbot mit Zwangsgeldandrohung. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Die polizeiliche Generalklausel gem. §§ 1, 3 PolG stellt eine verfassungsrechtlich tragfähige Rechtsgrundlage für den Platzverweis in Fällen häuslicher Gewalt dar.
2. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen – GewaltschutzG – ist weiterhin unmittelbar im Anschluss an erfolgte „häusliche Gewalt” bzw. zur Vorbeugung unmittelbar drohender „häuslicher Gewalt” ein Einschreiten der allgemeinen Polizeibehörde möglich, um dem Opfer „Luft” zur Einholung zivilrechtlichen Rechtsschutzes zu verschaffen; die Dauer der polizeilichen Maßnahmen (hier Platzverweis) ist aber an den Erlass einer zivilgerichtlichen Entscheidung zu koppeln.
Normenkette
PolG § 1 Abs. 1, §§ 3, 2 Abs. 2, § 6 Abs. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert für das Verfahren wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller erstrebt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines am 16.08.2004 erhobenen Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.08.2004, mit der das erstmalig am 03.08.2004 unter Anordnung des Sofortvollzugs ausgesprochene 2-wöchige Betretensverbot hinsichtlich des Grundstücks … in … (bislang gemeinsame Ehewohnung des Antragstellers und der Beigeladenen, die im Eigentum des Antragstellers steht) um weitere zwei Wochen (bis einschließlich 30.08.2004) verlängert wurde.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der Verfügung formell ordnungsgemäß angeordnet (vgl. § 80 Abs. 3 VwGO). Die von der Behörde gegebene Begründung genügt auch den Anforderungen an ein besonders Vollzugsinteresse, da im Fall von „häuslicher Gewalt” innerhalb der Ehe die besondere Eilbedürftigkeit außer Frage steht.
Sind die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfüllt, so ergibt die bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung, dass das öffentliche Interesse sowie das private Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der streitgegenständlichen Polizeiverfügung das entgegenstehende Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Entscheidung überwiegt. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Bei Rechtsstreitigkeiten um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen sofort vollziehbare Polizeiverfügungen kommt es nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse am Sofortvollzug und dem entgegenstehenden Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung an; in diesem Zusammenhang ist insbesondere die Frage der Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels von Bedeutung. Je erfolgreicher der Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel erscheint, desto eher wird das Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegen, während umgekehrt bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit der angegriffenen Polizeiverfügung das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug verstärkt und gegebenenfalls auch geschaffen werden kann. Ist die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs noch nicht zu beurteilen, weil noch tatsächliche Nachforschungen erforderlich sind, so kommt es auf das Ergebnis einer erfolgsunabhängigen Interessenabwägung an.
In Anwendung dieser Grundsätze dürfte die Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.08.2004 – bei der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – rechtlich nicht zu beanstanden sein. Dies gilt zunächst in formeller Hinsicht. Die Behörde durfte im Hinblick darauf, dass eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erschien (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG), von einer förmlichen Anhörung des Antragstellers absehen. Nachdem es der Beigeladenen innerhalb des Zeitraums des erstmalig verfügten Platzverweises nicht möglich war, eine neue Wohnung zu beschaffen, ergab sich die Notwendigkeit der Verlängerung des Platzverweises sehr kurzfristig.
Die mit dem Widerspruch angefochtene Maßnahme in Form eines Platzverweises dürfte aller Voraussicht nach auch in der Sache rechtmäßig sein. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 PolG hat die Polizeibehörde die Aufgabe, von dem Einzelnen oder dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentlich Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind subjektive Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen, die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt sowie die Durchsetzung der in der objektiven Rechtsordnung begründeten Verhaltenspflichten. Dazu gehört vor allem die V...