Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufenthaltsverbot mit Zwangsgeldandrohung. Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.05.2001 wird bezüglich der Nr. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 3 angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf DM 4.250,00 festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines mit Schreiben vom 07.05.2001 erhobenen Widerspruchs gegen eine Verfügung der Antragsgegnerin vom 07.05.2001. Mit dieser Verfügung wurde dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein befristetes Aufenthalts- und Betretungsverbot auferlegt und ihm für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht.

Der Antrag ist zulässig und begründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten führt im vorliegenden Fall dazu, dass den schutzwürdigen Interessen des Antragstellers der Vorrang vor dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Aufenthalts- und Betretungsverbots einzuräumen ist. Denn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie sich anhand der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und ihres substantiierten Vorbringens darstellt, bestehen begründete Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) gestützten Verfügung der Antragsgegnerin vom 07.05.2001.

Das Gericht hat im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Auflage 1997, § 6 RdNr. 11, 19 ff.), nach welcher u.a. hinsichtlich möglicher Grundrechtseingriffe strengere Maßstäbe an die „Regelungsdichte” einer administrativen Eingriffsermächtigung zu stellen sind, gewisse Zweifel daran, ob im Falle häuslicher Gewalt eine Maßnahme der vorliegenden Art überhaupt auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel der §§ 1, 3 PolG angeordnet werden kann. Diese ergeben sich daraus, dass solche Maßnahmen erheblich in die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 GG), der Ehe und Familie (Art. 6 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) eingreifen und deshalb unter dem Aspekt der Wesentlichkeitstheorie möglicherweise eine speziellere Eingriffsermächtigung als die der allgemeinen Aufgabenzuweisung mit generellen Handlungsermächtigung der §§ 1, 3 PolG erfordert. Vor dem Hintergrund, dass es bei Auseinandersetzungen im häuslichen Bereich (insbesondere Ehe, eheähnliche Lebensgemeinschaft) auch zu Tätlichkeiten und damit auch zu einer Gefährdung bzw. Verletzung hochrangiger Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung) kommen kann, geht das Gericht – unter Zurückstellung der o.a. Bedenken – jedoch im vorliegenden summarischen Verfahren davon aus, dass eine solche Maßnahme zum Schutz der genannten Rechtsgüter auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, zumal sich eine solche Maßnahme gegenüber der – beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG möglichen – Ingewahrsamnahme des Verursachers der Tätlichkeiten als milderes Mittel erweisen kann.

Im vorliegenden Fall überschreitet die angegriffene Verfügung jedoch aller Voraussicht nach die durch die polizeiliche Generalklausel eingeräumte Ermächtigung der Antragsgegnerin.

Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, das heißt eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. zum Ganzen etwa Zeitler, Allgemeines und Besonderes Poliz...

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