Entscheidungsstichwort (Thema)

unbekannte Erben. Nachlaßpfleger. Anfechtung. Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage. Erbschein DDR. Erscheineinziehung. Rückübertragung eines Grundstücks

 

Leitsatz (amtlich)

• Für die Frage, ob ein Grundstück durch Erbausschlagung „in Volkseigentum übernommen” wurde i.S.d. §1 Abs. 2 VermG kommt es auf die objektive Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides an.

• Dieser Zeitpunkt ist auch für das Gericht bei einer Anfechtungsklage der unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlaßpfleger maßgebend, wenn eine Rückübertragung bereits erfolgte und eine Grundbuchänderung eingetreten ist.

• Zur Frage des Staatserbrechts §1964 BGB, der Wirkung eines Erbscheins zugunsten der DDR und eines Feststellungsbescheides.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 2; BGB §§ 1960, 2038 Abs. 1, §§ 2361, 2365, 1965, 1964

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 31.03.1998; Aktenzeichen 1 BvR 1988/97, 1 BvR 2003/97, 1 BvR 2011/97)

BVerwG (Urteil vom 28.08.1997; Aktenzeichen 7 C 1.97)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen zu 13/16 die Kosten des Verfahrens einschließlich 13/16 der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Nachlaßpfleger trägt persönlich 3/16 der Kosten des Verfahrens einschließlich 3/16 der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und der Nachlaßpfleger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beigeladene vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Rückübertragung des mit einem Mietwohnhaus bebauten Grundstücks in L., U. str. …, Flurstück k (350 m²), Gemarkung A., eingetragen im Grundbuch von L.-A., nun Blatt, vormals Blatt, Bestands-Nr., an den Beigeladenen.

Als Eigentümer dieses Grundstücks war seit dem 17.12.1945 Herr A. R. S. (im folgenden: R. S.) im Grundbuch eingetragen. Seine Ehefrau, A. L. S., verstarb am 4.5.1971 und wurde ausweislich des Erbscheins des Staatlichen Notariats L. vom 6.5.1974 je zur Hälfte von R. S. und ihrer Tochter, U. W., beerbt.

Herr A. S., der Vater von R. S., war Eigentümer des Grundstücks L.str. …, nunmehr P. Str. … in L. A. S. verstarb 1951 und wurde von seinen Kindern R. und M. S. zu je 1/2 beerbt.

R. S. verstarb am 27.1.1974. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Einheitswert des streitbefangenen Grundstücks 42.400,– M/DDR und der Abgeltungsbetrag 16.300,– M/DDR (insgesamt: 58.700,– M/DDR).

Per 27.1.1974 war das streitbefangene Grundstück wie folgt belastet: Hypothek zugunsten der Sparkasse W. 6.000,– RM + 16.000,– RM (Valuta einschließlich Zinsen insgesamt 19.028,18 M/DDR), Aufbauhypothek zugunsten der Stadt- und Kreissparkasse L. 5.000,– M/DDR + 5.000,– M/DDR (Valuta insgesamt einschließlich Zinsen 3.496,51 M/DDR), Hypothek zugunsten Frau A. L. S. 40.000,– M/DDR, hierbei handelte es sich in Höhe von 20.000,– M/DDR um eine Eigentümergrundschuld zufolge Erbrechts (Valuta zugunsten Frau U. W. einschließlich Zinsen 22.060,– M/DDR) und Hypothek zugunsten Frau U. W. 8.000,– M/DDR (Valuta einschließlich Zinsen 8.344,– M/DDR). Insgesamt beliefen sich die valutierten Belastungen des streitbefangenen Grundstücks zum 27.1.1974 auf 52.928,69 M/DDR.

Am 5.2.1974 schlugen Frau U. W. und deren Tochter S. U. W. als gesetzliche Erben die Erbschaft nach R. S. aus. Mit Beschluß des Staatlichen Notariats L. vom 7.2.1974 wurde gemäß §1960 BGB für die unbekannten Erben nach R. S. die Nachlaßpflegschaft angeordnet. Im Schreiben vom 12.3.1974 teilte der Nachlaßpfleger mit, daß in der Erbermittlung als derzeit einzige bekannte Erbberechtigte die Schwester des Erblassers, Frau M. S., in M. in Betracht komme. Diese habe selbst keine Abkömmlinge. Erben der dritten Ordnung seien nicht bekannt, daher sei das Aufgebotsverfahren unausweichlich.

Am 28.5.1974 schlug Frau M. S. die Erbschaft nach ihrem Bruder, R. S., aus. Mit Beschluß des Staatlichen Notariats L. vom 19.6.1974 wurden die Erben nach R. S. aufgefordert, bis zum 1.9.1974 ihre Rechte bei dem Staatlichen Notariat L. anzumelden. Dieses Aufgebotsverfahren wurde im Zentralblatt der DDR veröffentlicht.

Mit Rechtsträgernachweis vom 5.8.1974 wurde mit Wirkung vom 1.10.1974 aufgrund des Beschlusses des Staatlichen Notariats L. vom 19.6.1974 zum Rechtsträger des streitbefangenen Grundstücks der VEB Gebäudewirtschaft L. – Grundstücksverkehr – bestimmt.

Mit Beschluß des Staatlichen Notariats L. vom 9.9.1974 wurde in der Nachlaßsache des verstorbenen R. S. festgestellt, daß ein anderer Erbe als die Deutsche Demokratische Republik, vertreten durch den Rat des Stadtbezirkes Südost der Stadt L., Abteilung Finanzen/Staatliches Eigentum, nicht vorhanden sei. Gleichzeitig wurde die Nachlaßpflegschaft aufgehoben.

Am 10.10.1974 wurde als Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks im Grundbuch das Eigentum des Volkes eingetragen, aufgrund des Rechtsträgernachweises vom 5.8.1974.

Ausweislich der Zusam...

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