Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsbescheid. Gesamtvollstreckung. Abwasserbeitrag. Globalberechnung. Kommunalabgaben. Michael Hawelka ./. Abwasserzweckverband Espenhain. Anfechtung eines Duldungsbescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Der Eigentümer eines Grundstücks besitzt eine Duldungspflicht der Zwangsvollstreckung, wenn eine Abgabenschuld als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht; dies gilt auch für den Gesamtvollstreckungsverwalter
2. Die Duldungspflicht setzt das Bestehen der Abgabenschuld voraus; die Abgabenschuld muss entstanden sein und darf nicht untergegangen sein
3. Der Gesamtvollstreckungsverwalter kann unbeschadet der etwaigen Bestandskraft eines Abwasserbeitragsbescheides alle materiell-rechtlichen Einwendungen gegen diese Rechtmäßigkeit erheben
Normenkette
AO § 191; SächsKAG § 17
Tenor
1. Der Duldungsbescheid des Beklagten vom 20.6.1997 und der Widerspruchsbescheid vom 8.8.1997 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Duldungsbescheides.
Der Beklagte hat die … und … GmbH, welche Eigentümerin des Grundstückes Flurstück …/17, Gemarkung …, ist, mit Abwasserbeitragsbescheid vom 24.6.1994 zur Zahlung von 86.124,90 DM Abwasserbeitrag für das oben genannte Grundstück herangezogen. Der dagegen erhobene Widerspruch vom 16.8.1994 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.1996 zurückgewiesen, Klage hiergegen wurde nicht erhoben.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 1.2.1997 wurde die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der … GmbH eröffnet. Gleichzeitig wurde der Kläger zum Verwaltung über das Vermögen des Betriebes bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 14.11.1996 wurde angeordnet, dass gegen die … GmbH anderweitig eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen vorläufig ohne Sicherheitsleistung eingestellt werden.
Am 20.6.1997 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Duldungsbescheid, mit welchem der Kläger verpflichtet wurde, die Vollstreckung in das Grundstück mit der Flurstücksnummer ../17 der Gemarkung … in Höhe von 86.124,90 DM zu dulden. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass ihm ein außerhalb des Gesamtvollstreckungsverfahrens geltend zu machendes Recht auf abgesonderte Befriedigung zustehe. Denn der Abwasserbeitrag ruhe als öffentliche Last auf dem oben genannten Grundstück. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 21.7.1997 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, dass der Duldungsbescheid rechtswidrig sei. Eine abgesonderte Befriedigung der Grundpfandgläubiger gemäß § 12 Abs. 1 Gesamtvollstreckungsordnung – GesO – komme mangels einer § 47 Konkursordnung – KO – entsprechenden Vorschrift in der Gesamtvollstreckungsordnung nicht in Betracht. Das Grundstück sei zunächst von der Gesamtvollstreckung erfasst. Der Gesamtvollstreckungsverwalter entscheide, ob er Gegenstände herausgebe oder ablöse. Im Übrigen würde durch die angestrebte Einzelzwangsvollstreckung eine erhebliche Störung des Gesamtvollstreckungsverfahrens auftreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8.8.1997 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass ein Anspruch des Beklagten als Grundpfandgläubiger auf abgesonderte Befriedigung bestehe.
Dagegen hat der Kläger am 5.9.1997 Klage zum erkennenden Gericht erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
den Duldungsbescheid vom 20.6.1997 und den Widerspruchsbescheid vom 8.8.1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass der Duldungsbescheid rechtmäßig sei. Dem Beklagten stehe als Grundpfandgläubiger eine abgesonderte Befriedigung in entsprechender Anwendung des § 47 KO zu.
Mit Beschluss vom 22.7.1998 hat die erkennende Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Am 28.2.2000 und am 3.7.2000 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte und der Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens 6 K 1284/97 Bezug genommen, die Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Duldungsbescheid vom 20.6.1997 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8.8.1997 sind aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
Im Streit um die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides ist in den Fällen, in denen dem Duldungsbescheid eine Abgabenfestsetzung gegen den persönlichen Schuldner durch Verwaltungsakt vorausgegangen ist, durch die Rechtsprechung anerkannt, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter unbeschadet einer etwaigen Bestandskraft des Festsetzungsbescheides uneingeschränkt alle materiell-rechtlichen Einwendunge...