Entscheidungsstichwort (Thema)
Feinstaub. Verkehrsrechtliche Maßnahmen. Überschreitung der Grenzwerte der 22. BlmSchV. Antrag gemäß § 123 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Ein von Feinstaubbelastung betroffener Dritter hat keinen Anspruch auf verkehrsrechtliche Maßnahmen. Diese bedürfen einer Regelung in einem Aktions- oder Luftreinhalteplan.
2. Straßenverkehrsrechtliche Regelungen ermächtigen nur zu Beschränkungen hinsichtlich begrenzter, konkreter örtlicher Verkehrssituationen. Verkehrsbehördliche Maßnahmen aus allgemeinen, abstrakten Erwägungen des Umweltschutzes können nicht angeordnet werden.
Normenkette
VwGO § 42 Abs. 2; 22. BImSchV § 4; BImSchG § 40 Abs. 1, §§ 45, 47 Abs. 1; StVO § 45 Abs. 1; Richtlinie 96/62/EG; Richtlinie 1999/30/EG
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel an seinem Wohnort. Er wohnt in München an einer sehr stark befahrenen siebenspurigen Straße, auf der auch LKW-Durchgangsverkehr stattfindet. Am 27. März 2005 wurde in diesem Bereich der seit dem Jahre 2005 geltende Grenzwert für Feinstaubbelastung (22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – 22. BImSchV) zum 36. Mal überschritten.
Mit Schreiben vom 21. März 2005 beantragte der Antragsteller bereits bei der Antragsgegnerin entsprechende Maßnahmen. Diese verwies im Schreiben vom 23. März 2005 auf einen noch auszuarbeitenden Luftreinhalteplan.
Am 29. März 2005 hat der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und beantragt:
- Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig das Verkehrszeichen 253 des § 41 StVO mit Zusatz „Lieferverkehr frei” aufzustellen, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel an der … München zukünftig zu gewährleisten,
- hilfsweise verpflichtet, vorläufige Verkehrszeichen des § 41 StVO (insbesondere 250, 253, 266, 274) aufzustellen, die die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte an der … München zukünftig gewährleisten,
- hilfsweise verpflichtet, den Antragsteller vorläufig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Maßnahmen, die die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte an der … München sicherstellen, zu bescheiden,
- hilfsweise vorläufig festzustellen, dass die Antragsgegnerin kurzfristig wirkende Maßnahme zu ergreifen hat, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte an der … München zukünftig sicherzustellen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag sei zulässig, da die Grenzwerte dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienten und subjektive Rechte begründeten. Geschützt seien alle Personen, die sich im Einwirkungsbereich der Emissionsquelle dauernd oder wiederholt aufhielten. Die Entfernung der Wohnung des Antragstellers von 600 m zur Messstelle sei dabei unerheblich. Ebensowenig komme es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf an, dass der Grenzwert im gesamten Stadtgebiet überschritten sei. Da der Jahresgrenzwert 2005 bereits überschritten sei, könne das Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache im Hinblick auf die Gesundheitsschäden geboten. Der Antragsteller habe zumindest einen Anspruch auf Bescheidung darüber, welche Maßnahmen die Antragsgegnerin ergreife bzw. gebiete das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine Feststellung, dass unverzüglich kurzfristig wirkende Maßnahmen zu ergreifen seien. Der Antrag sei schließlich deshalb auch nach § 75 S. 2 VwGO zulässig. Ein Anordnungsanspruch auf Aufstellung des Verkehrszeichens 253 ergebe sich aus § 45 StVO i.V.m. § 45 BImSchG. Falls Pläne nach § 47 BImSchG nicht existierten, seien auch Maßnahmen darüber hinaus möglich. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO sei neben § 45 Abs. 1 BImSchG eine eigene Ermächtigungsgrundlage, die auch für ganze Ortsteile herangezogen werden könne. Feinstaub sei als Abgas im Sinne dieser Regelung einzustufen. Daneben bestehe auch die Möglichkeit einer Regelung nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO. Die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts müsse gewährleistet sein. Ziel der Richtlinie 99/30/EG sei die Festlegung von Grenzwerten für Feinstaubpartikel. Aus Art. 7 Abs. 1 der RL 96/62 ergebe sich ein Anspruch des Bürgers auf Einhaltung der festgelegten Standards. Die Frage des „Ob” von Maßnahmen stehe angesichts des Beitrags des Straßenverkehrs nicht mehr im Raum. Gemäß Art. 5 der RL 99/30/EG seien die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. In seiner die Behörden verpflichtenden Funktion bewirke § 45 BImSchG eine Ermessensreduzierung; bei bereits eingetretener Überschreitung sei das Entschließungsermessen auf Null reduziert. Die Grenzwerte seien keine Orientierungswerte wie im Lärmschutzrecht, die einer Abwägung zugänglich w...