Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllungsübernahme. Schmerzensgeldanspruch. Polizeibeamter. Hodenprellung. Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung

 

Normenkette

BayBG Art. 97

 

Tenor

Urteil:

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom …. August 2016 verpflichtet, die Erfüllung des mit Urteil des Amtsgerichts F… vom … Januar 2016 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld gegen Herrn … in Höhe von 500,00 Euro zu übernehmen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger steht als Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des Beklagten.

Am 27. Juni 2015 wurde er bei der Festnahme einer Person zwei Mal in den Unterleib getreten, wodurch er eine Hodenprellung erlitt. Der Kläger behandelte die Schmerzen selbst durch Kühlung und Schmerzmitteleinnahme. Die Verletzung führte nicht zu einer Dienstunfähigkeit.

Mit rechtkräftigem Urteil vom 7. Januar 2016 verurteilte das Amtsgericht Fürth den Schädiger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung und verpflichtete den Schädiger J.S. im Wege des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Kläger in Höhe von 500 Euro (Az. 451 Ds 952 Js 163879/15). Laut den Feststellungen in den Urteilsgründen verfüge der Schädiger über keine abgeschlossene Berufsausbildung, sei seit Jahren arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld II. Seine Verbindlichkeiten aus vorangegangenen Strafverfahren sollen sich auf 6.000 bis 7.000 Euro belaufen.

Die vom Klägerbevollmächtigten für einen ebenfalls durch den Schädiger verletzten Kollegen des Beamten angestrengte Vollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher ergab, dass der inhaftierte Schädiger kein vollstreckungsfähiges Vermögen besitzt.

Mit Schreiben vom 17. März 2016 beantragte der Kläger beim Beklagten Erfüllungsübernahme hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs. Er erkundigte sich am 11. August 2016 telefonisch beim Beklagten, ob eine schriftliche Auskunft des Gerichtsvollziehers, der Schädiger sei vermögenslos und beziehe lediglich Überbrückungsgeld, als Vollstreckungsversuch genüge. Daraufhin wurde ihm laut schriftlichem Aktenvermerk durch den Beklagten mitgeteilt, sein Antrag müsse ohnehin abgelehnt werden und er brauche keine Unterlagen mehr einzureichen.

Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 11. August 2016, dem Kläger am 21. August 2016 bekanntgegeben, wurde der Antrag abgelehnt. Die Erfüllungsübernahme setze einen tätlichen Angriff voraus, welcher jedoch auf Angriffe mit einer Mindestschwere beschränkt sei, bei denen eine ärztliche Untersuchung erfolgt sei. Daher sei der Antrag des Klägers schon wegen der fehlenden ärztlichen Untersuchung abzulehnen.

Der Kläger hat am 19. September 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage auf Erfüllungsübernahme erhoben und zuletzt beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 11. August 2016 zu verpflichten, die Erfüllung des mit Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 7. Januar 2016 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld gegen Herrn J.S. in Höhe von 500,00 Euro zu übernehmen.

Der Begriff der unbilligen Härte beziehe sich auf die Höhe des im Wege der Zwangsvollstreckung nicht realisierbaren Betrages und sei bei Überschreiten der Grenze von 500 Euro regelmäßig gegeben. Da sich der Übergriff auf den Kläger gegen vier Uhr nachts ereignet und seine Nachtschicht kurz nach der Rückverbringung des Schädigers zur Polizeiinspektion geendet habe, hätte die einzige Möglichkeit einer zeitnahen ärztlichen Untersuchung im Aufsuchen der Notaufnahme eines Krankenhauses bestanden. Der Kläger sei allerdings in der Lage gewesen, selbst zu erkennen, dass er eine Hodenprellung erlitten hatte und dass die einzige in Betracht kommende Behandlung dieser Verletzung in einer Kühlung, Schonung, Schmerzmitteleinnahme und Beobachtung der weiteren Entwicklung nach Anzeichen für weitergehende Schädigungen bestand.

Das Landesamt für Finanzen hat für den Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Erfüllungsübernahme sei nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig. Die Hodenprellung habe keine ärztliche Behandlung erfordert und nicht zu einer Dienstunfähigkeit des Beamten geführt. Der Beklagte habe fehlerfrei sein Ermessen ausgeübt. Der Kläger habe zudem nicht den Nachweis über zwei erfolgslose Vollstreckungsversuche erbracht.

Nachdem sich der Kläger am 28. November 2016 nachträglich durch den ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei untersuchen ließ und durch diesen einen entsprechenden Befund erhielt, wurde das Ereignis durch den Beklagten mit Bescheid vom 9. Januar 201...

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