Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Lastenausgleich
Tenor
Das Verfahren wird insoweit ausgesetzt, als sich die Klägerin gegen die Rückforderung von Zinszuschlag durch Bescheid der Beklagten vom 29.12.1994 wendet.
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht darüber eingeholt, ob § 349 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 des Lastenausgleichsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 845), soweit er die Rückforderung des Zinszuschlages betrifft, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Tatbestand
I.
Die am 16.06.1925 geborene Klägerin war als Miterbin zu 1/3 nach ihrem am 14.03.1948 verstorbenen Vater Miteigentümerin eines Mietwohngrundstücks in Görlitz, Elisabethstr. 35. Zur Erbengemeinschaft gehörten ferner zu je 1/3 ihr Bruder sowie ihre Mutter, die am 08.04.1972 verstarb und von ihr, der Klägerin, als Alleinerbin beerbt wurde. Im April 1948 verließ die Klägerin die damalige sowjetische Besatzungszone. Das Grundstück befand sich ab 17.12.1952 unter staatlicher Verwaltung. Der Eigentumsanteil der Klägerin als Miterbin wurde gemäß Grundbucheintragung vom 15.05.1954 und derjenige als Alleinerbin nach ihrer Mutter mit Grundbucheintragung vom 10.11.1980 in Eigentum des Volkes überfuhrt.
Die Klägerin hatte ferner im Wege der Erbfolge nach ihrer Mutter eine auf dem Grundstück Lutherstr. 48 in Görlitz lastende Hypothekenforderung in Höhe von 7.500, – M-Ost erworben.
Durch Bescheid vom 18.09.1980 stellte die Beklagte nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) gegenüber der Klägerin bzgl. deren Erbanteilen an dem o.a. Grundvermögen auf der Grundlage eines Ersatzeinheitswertes von 37.698,60 M-Ost den Schaden in Höhe von 25.133,33 M-Ost (= 2/3 des Einheitswertes) und bzgl. der Hypothekenforderung in Höhe von 7.500,– M-Ost fest.
Durch Bescheid der Beklagten vom 09.10.1980 wurde der Klägerin für die o.a. Schäden eine Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) in Höhe von 18.650,– DM (Grundbetrag) zuzüglich eines Zinszuschlages in Höhe von 14.855,60 DM zuerkannt.
Durch Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen bei der Stadt Görlitz vom 23.03.1993 wurde das Eigentum an dem o.a. Grundvermögen an die unmittelbar Geschädigten gemäß § 3 VermG zurückübertragen; zugleich wurde gemäß § 18 VermG ein Ablösebetrag in Höhe von 28.278,11 DM festgesetzt. Eine Rückübertragung bzgl. der Hypothekenforderung erfolgte nicht.
Durch Bescheid vom 29.12.1994 forderte die Beklagte gemäß § 349 LAG die der Klägerin gewährte Hauptentschädigung bzgl. des auf das zurückübertragene Grundvermögen bezogenen Anteils in Höhe von 18.954,80 DM (Grundbetrag: 10.840,– DM; Zinszuschlag: 8.114,80 DM) zurück.
Die Klägerin legte dagegen Beschwerde ein, die der Beschwerdeausschuß beim Landesausgleichsamt durch Beschluß vom 09.08.1995 – als Einschreiben zur Post gegeben am 14.08.1985 – zurückwies. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die gewährte Hauptentschädigung habe nicht den Charakter einer Nutzungsentschädigung gehabt, sondern sei reine Vermögensentschädigung gewesen (§ 13 Nr. 1 BFG). Der Zinszuschlag sei nicht für entgangene Nutzung gewährt worden, sondern habe lediglich einen Ausgleich für die späte Erfüllung des Entschädigungsanspruchs bezweckt.
Die Klägerin hat dagegen am 13.09.1995 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend u.a. vorträgt: Die Rückforderung des Zinszuschlages verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil sie diejenigen begünstige, die unmittelbar nach dem 01.04.1957 die Hauptentschädigung ausgezahlt bekommen hätten und hätten gewinnbringend anlegen können. Diese Ungleichbehandlung könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß Lastenausgleich ein Ausgleich für Substanzverlust gewesen sei. Der Zinszuschlag beinhalte eine Nutzungsentschädigung dafür, daß der Lastenausgleich nicht schon unmittelbar nach Inkrafttreten des LAG habe ausgezahlt werden können. Er stelle einen Ausgleich für diejenigen Lastenausgleichsberechtigten dar, die im Gegensatz zu anderen erst spät in den Genuß von Auszahlungen gekommen seien. Indem der Gesetzgeber nicht nach dem Zeitpunkt, zu dem der zurückgeforderte Lastenausgleich gewährt worden sei, differenziere, sondern den gewährten Zinszuschlag ausnahmslos zurückfordere, behandele er wesentlich Ungleiches ohne sachlich einleuchtenden Grund gleich. Der Rückforderungsvorbehalt des Gesetzgebers für den Fall, daß der Begünstigte die Substanz des weggenommenen Wirtschaftsgutes zurückerhalte, treffe auf den Zinszuschlag nicht zu. Daher könne und dürfe auch nicht darauf abgestellt werden, daß der Zinszuschlag unselbständiger Teil der Hauptentschädigung sei; er müsse nicht das Schicksal des Grundbetrages teilen. Sie, die Klägerin, habe diesen mit der Maßgabe erhalten, ihn behalten zu dürfen. Mit seiner entschädigungslosen Rückforderung werde unter Verstoß gegen Art. 14 GG in ein eigentumsähnliches Recht eingegriffen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.12.1994 hinsichtlich des 5.538,80 DM übersteigenden Betrages aufzuheben.
Die Bek...