Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Wahl eines Mitgliedes

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.09.1998; Aktenzeichen 2 BvR 69/93)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Dieser Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, sofern die Beklagte nicht Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, Angehöriger der jüdischen Gemeinde Wiesbaden, wendet sich gegen die Wahl eines Mitglieds der Revisions- und Wahlkommission der jüdischen Gemeinde Wiesbaden anläßlich der Gemeindeversammlung vom 05.03.1989. Er ist der Auffassung, daß in die Revisions- und Wahlkommission als einem Organ der jüdischen Gemeinde Wiesbaden nur solche Angehörige des Judentums gewählt werden können, die in der jüdischen Gemeinde Wiesbaden, also dem Gemeindebezirk der Landeshauptstadt Wiesbaden, ihren Wohnsitz haben. Eines der in die Revisions- und Wahlkommission gewählte Mitglieder habe jedoch seinen Wohnsitz nicht in Wiesbaden, sondern in der politischen Gemeinde Hattersheim, so daß seine Wahl rechtsfehlerhaft sei.

Der Kläger beantragt,

die Wahl des Rechtsanwalts Leo Laks in die Revisions- und Wahlkommission bei der Wahl vom 05.03.1989 für unwirksam zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klage sei offensichtlich unzulässig, da es sich vorliegend nicht um eine öffentlich rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO handele und daher das angerufene Gericht für eine Entscheidung in dieser Sache nicht zuständig sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der diesen beigefügten Anlagen, sowie die Verfahrensakten I G 468/89 und I G 252/90 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Über die Klage kann gemäß Artikel 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit –EntlG– vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446), zuletzt geändert durch Gesetz vom 04. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274) nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art vorliegen und der Sachverhalt im erforderlichen Umfang geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu dieser Entscheidungsform zuvor angehört. Ihre Einwilligung ist nicht erforderlich (vgl. Kopp, Komm. zur VwGO, 8. Aufl., RdNr. 19, 22 a – m.w.N. – zu § 1 EntlG).

Die Klage ist unzulässig, da das angerufene Gericht für eine Streitentscheidung funktionell nicht zuständig ist; es handelt sich nämlich nicht um eine „öffentlich rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art” im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO.

In dem dem hier zur Entscheidung anstehenden Verfahren vorausgegangenen einstweiligen Anordnungsverfahren hat die Kammer mit Beschluß vom 14.09.1989 – I G 498/89 –, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ausgeführt, daß es sich bei dem vorliegend angegriffenen Vorgang der jüdischen Gemeinde Wiesbaden um eine innerorganisatorische Angelegenheit dieser Gemeinde handelt, die der Überprüfung durch ein staatliches Gericht nicht zugängig ist. Die Kammer hält an dieser, von ihr zuletzt mit Beschluß vom 22.03.90 – I G 252/90 – vertretenen und durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 20. bzw. 23. März 1990 – 6 TG 3074/89 bzw. 6 TG 837/90 – bestätigten Rechtsauffassung fest.

Auch in dem vorliegenden Klageverfahren wurden keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine davon abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Soweit unter Hinweis auf den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juli 1985 – 7 CE 85 A.1634 – in DVBl. 1985 S. 1073 – eine Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts damit begründet wird, daß nach erfolgloser Anrufung des Rabbinatsgerichts in Jerusalem staatlicher Rechtsschutz angesichts des Gebots effektiver Rechtschutzgewährung im Sinne von Artikel 19 Abs. 4 GG nicht mehr verweigert werden dürfe, ist dem entgegenzuhalten, daß der innerkirchliche Rechtsweg keinesfalls als erschöpft angesehen werden kann, da das Bezirksrrabbinatsgericht zu Jerusalem sich im Beschluß vom 23.01.1990 – 5750/227 – lediglich für örtlich unzuständig erklärt und in der Sache nicht entschieden hat. Hinzu kommt – und hierauf wird in dem Beschluß des Hessichen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. März 1990 – a.a.O. – zutreffend hingewiesen –, daß die Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG ausschließlich Akte staatlicher öffentlicher Gewalt erfaßt, zu denen innerkirchliche Maßnahmen gerade nicht zählen (BVerfG, Beschluß vom 12.02.81 – 1 BvR 567/77 – in: NJW 1983 S. 2570).

Nach alldem war daher die Klage mit der sich für den Kläger aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 7...

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