Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht
Tenor
Die Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.06.1998 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, daß bei den Klägern zu 1) und 6) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Hinsichtlich des Tatbestandes bezieht sich das Gericht zunächst auf den Gerichtsbescheid vom 13.04.2000 (§ 84 Abs. 4 VwGO) und ergänzt folgendes:
Nachdem die Sache auf die Verfassungsbeschwerde der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2000 mit Beschluß vom 20.09.2001 (2 BvR 1392/00) an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückverwiesen worden ist, ist erneut zu entscheiden.
Am 20.11.2001 ist die mündliche Verhandlung durchgeführt worden, in der die Kläger zu 1) und 3) bis 6) zu ihrem Verfolgungsschicksal – z.T. erneut – angehört worden sind.
Der Kläger zu 1) hat auf die Frage des Gerichts, was er in den letzten eineinhalb Jahren gemacht habe, angegeben:
„Wir haben nicht viel gemacht. Wir haben auf keinen Fall etwas Verbotenes gemacht, wir wollen nur in Ruhe hier leben. Ich war zu Hause, mir sind die Hände gebunden.”
Der Kläger zu 6) hat angegeben, als Küchenhilfe zu arbeiten.
Der Kläger zu 3) hat angegeben, die Berufsfachschule in Geisenheim – Fachrichtung Elektrotechnik – zu besuchen. Er habe für den Sommer 2002 eine Ausbildungsstelle bei der Firma … in Aussicht.
Die Klägerin zu 5) hat angegeben, die Realschule Rüdesheim in der 8. Klasse zu besuchen.
Die Klägerin zu 4) hat angegeben, die Hauptschule in der 8. Klasse zu besuchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der – erneut – vorgelegten Behördenakten sowie der Erkenntnisse „7-TR-1”, die den Beteiligten mit richterlicher Verfügung vom 26.10.2001 bekanntgegeben worden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nunmehr begründet. Die Kläger zu 1) und 6) sind politisch verfolgt i.S.v. Art. 16 a Abs. 1 GG. Die Kläger zu 2) bis 5) geniessen sog. Familienasyl, § 26 AsylVfG. Deshalb ist die Beklagte dazu zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen. Daneben ist die Beklagte zur Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in der Person der Kläger zu 1) und 6) vorliegen. Die entgegenstehenden Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.06.1998 sind aufzuheben.
Hinsichtlich der Voraussetzungen eines Asylanspruches nach Art. 16 a Abs. 1 GG nimmt das Gericht Bezug auf die Ausführungen hierzu im Gerichtsbescheid vom 13.04.2000 (S. 3 bis 5 dort), § 84 Abs. 4 VwGO.
Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie schon wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit politisch verfolgt werden, denn aufgrund der in das Verfahren eingeführten Unterlagen kann das Gericht nicht feststellen, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe in der Türkei landesweit in den hier maßgeblichen Zeiten, also bei Ausreise der Kläger im Dezember 1996 und jetzt im November 2001, allgemein dem türkischen Staat zuzurechnenden politischen Repressalien ausgesetzt war oder noch ist (HessVGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. Entscheidung v. 27.01.1999 – 6 UE 1253/96.A –, 07.12.1999 – 12 UE 232/97.A –, 01.10.1999 – 12 UZ 2904/99.A – und 15.11.1999 – 6 UZ 1314/99.A –).
Die Kläger sind jedoch nunmehr aus individuellen Gründen als Asylberechtigte anzuerkennen, weil neue Beweismittel vorliegen, die eine für die Kläger günstigere Entscheidung herbeiführen (§ 71 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Über den Asylanspruch der Kläger ist durch das Gericht „durchzuentscheiden”. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der der letzten mündlichen Verhandlung, also der 20.11.2001 (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Dabei sind für das Gericht folgende Gründe leitend gewesen:
Dem erneut durch die Beklagte vorgelegten Verwaltungsvorgang ist zu entnehmen, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge während des Fortgangs des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht weitere Ermittlungen bezüglich der zuvor in der vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 20.06.2000 vorgelegten Dokumente durch die Deutsche Botschaft in Ankara veranlaßt hat, s. ab Bl. 160 ff. VV. Dort ist zu entnehmen, dass Echtheits- und Wahrheitsgehalt der vorgelegten Schreiben der Rechtsanwälte … und … durch Telefonate von Botschaftsangehörigen mit den...