Entscheidungsstichwort (Thema)
Entlassung. Mutterschutz. Entlassungsverbot. während Mutterschutzfrist. Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf
Leitsatz (amtlich)
Die während der Mutterschutzfrist ausgesprochenen Entlassung einer im Vorbereitungsdienst befindlichen Beamtin auf Widerruf wegen nicht hinreichenden Fortschreitens in ihrer Ausbildung ist rechtswidrig, auch wenn der Vorbereitungsdienst nicht mehr sinnvoll fortgesetzt werden kann. Eine Umdeutung in eine Entlassung zum Ende der Mutterschutzfrist ist ausgeschlossen.
Normenkette
LBG/MuSchuVo § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Urteil vom 13.03.1987; Aktenzeichen 8 K 73/86) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. März 1987 – 8 K 73/86 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahren wird auf 27.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Die im Jahre 1961 geborene Klägerin wurde am 1.8.1981 zum Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes zugelassen und am selben Tage als Inspektorenanwärterin zur Beamtin auf Widerruf ernannt.
Zum 1.8.1983 wurde sie zum Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl zugelassen. Mit Bescheid vom 20.9.1984 wurde der Klägerin von der Fachhochschule mitgeteilt, daß sie in den Leistungsnachweisklausuren des ersten Ausbildungsjahres eine Durchschnittsnote von 2,80 Punkten erzielt und damit den erforderlichen Durchschnitt von 4,0 Punkten nicht erreicht habe. Auch nachdem die Klägerin das erste Ausbildungsjahr wiederholt hatte, erzielte sie in den Leistungsnachweisklausuren 1985 nur eine Durchschnittsnote von 2,6 Punkten. Mit Bescheid vom 18.9. 1985 wurde der Klägerin von der Fachhochschule mitgeteilt, daß sie zur Teilnahme an den Lehrveranstaltungen des zweiten Studienjahres nicht berechtigt sei, und, da sie das erste Studienjahr schon einmal wiederholt habe, dieses gemäß § 30 Abs. 4 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den gehobenen Dienst nicht nochmals wiederholen könne. Hiergegen legte die Klägerin Rechtsbehelfe nicht ein.
Mit Schreiben vom 4.10.1985 teilte das Regierungspräsidium der Klägerin mit, es sei beabsichtigt, sie zum 31.12.1985 aus dem Dienst des Landes Baden-Württemberg zu entlassen, und wies darauf hin, daß sie die Beteiligung des zuständigen Ausbildungspersonalrats beantragen könne. Mit Schreiben vom 8.10.1985 teilte die Klägerin dem Regierungspräsidium mit, daß sie schwanger sei und bat um nochmalige Prüfung ihrer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Durch Verfügung vom 30.10.1985 entließ das Regierungspräsidium Karlsruhe die Klägerin, gestützt auf § 14 abs. 3 Ziff. 2 der Ausbildung- und Prüfungsordnung in Verbindung mit §§ 44, 46 Landesbeamtengesetz mit Ablauf des 31.12.1985 aus dem Dienst des Landes Baden-Württemberg. Hiergegen legte die Klägerin unter Hinweis auf § 10 der Mutterschutzverordnung Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.1985 zurückwies. Gleichzeitig ordnete es den Sofortvollzug der Verfügung vom 30.11.1985 an. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, § 10 der Mutterschutzverordnung sei auf eine Entlassung nicht anzuwenden, wenn wie hier, das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes oder Verordnung ende. Dies sei bei einer Entlassung nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Fall, da die Entlassung zwingend vorgeschrieben sei, wenn der Anwärter den Leistungsnachweis bei zulässiger Wiederholung nicht erbringe. Mit Schreiben vom 23.12. 1985 zeigte die Klägerin an, sie sei auch nach dem 31.12.1985 weiterhin arbeitsbereit.
Die Klägerin hat rechtzeitig beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, die Entlassungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 30.10.1985 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 27.12.1985 aufzuheben. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat der Klage durch Urteil vom 13.3.1987 mit der Begründung stattgegeben, die Klägerin dürfe wegen § 10 der Mutterschutzverordnung nicht entlassen werden. Anders als bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses nach § 14 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung trete bei einer Entlassung nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung die Entlassungswirkung nicht kraft Gesetzes oder Verordnung ein; vielmehr bedürfe es einer ausdrücklichen Entlassungsverfügung. Eine Entlassung einer schwangeren Beamtin auf Widerruf werde durch § 10 Abs. 1 S. 1 der Mutterschutzverordnung jedoch ausdrücklich verboten. Dies gelte auch dann, wenn, wie im vorliegenden Falle, ein Ausbildungsverhältnis nicht mit einem sinnvollen Gehalt fortgesetzt werden könne, denn das Entlassungsverbot gelte nach dem klaren Wortlaut von § 10 Abs. 1 S. 1 der Muttersc...