Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarverfügung. Personalrat Mitwirkung. Unterrichtungsgebot. Belehrungsgebot. Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Rechtswidrigkeit einer Disziplinarverfügung bei Verstoß gegen das personalvertretungsrechtliche Gebot, den Beamten von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen und gleichzeitig auf sein Recht hinzuweisen, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 in Verb. mit § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG).
2. Keine Heilung des Mangels dadurch, daß der Dienstherr im Beschwerdeverfahren die Stufenvertretung beteiligt.
Normenkette
LDO § 32 Abs. 2 S. 1; LPVG § 75 Abs. 2 S. 2, § 80 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Sätze 2-3
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Beschluss vom 25.09.1992; Aktenzeichen DK 12/91) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beamten wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Sigmaringen – Disziplinarkammer – vom 25. September 1992 – DK 12/91 – geändert. Die Disziplinarverfügung des Leiters der Justizvollzugsanstalt … vom 19. Juni 1991 und der Beschwerdebescheid des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 5. August 1991 werden aufgehoben.
Der Dienstherr trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Beamten erwachsenen notwendigen Auslagen.
Tatbestand
I.
Der Beamte ist bei der Außenstelle … der Justizvollzugsanstalt … tätig, wo er Aufgaben im Vollzug der U-Haft erfüllt. Er war für den 16.5.1991 zu dem um 19.00 Uhr beginnenden Nachtdienst eingeteilt. Wegen Erkrankung eines Kollegen sollte er am 16.5.1991 zusätzlich von 8.00 bis 11.00 Uhr Dienst leisten. Er tat das nicht, wobei er nachträglich eine Krankmeldung vorlegte. Den Nachtdienst trat er an.
Mit Schreiben vom 22.5.1991 teilte der Leiter der Justizvollzugsanstalt dem Beamten mit, er leite gegen ihn ein Disziplinarverfahren ein; der Beamte habe am 15.5.1991 mit Nachdruck erklärt, er werde den zusätzlichen Dienst am 16.5.1991 nicht verrichten. Einem Aktenvermerk vom 3.6.1991 zufolge erläuterte der Leiter der Justizvollzugsanstalt dem Beamten in einem Gespräch an diesem Tag, er sehe in der fraglichen Weigerung ein Dienstvergehen. Nach Angabe in seinem Vorlagebericht an das Justizministerium Baden-Württemberg vom 26.6.1991 wies der Leiter der Justizvollzugsanstalt den Beamten in dem Gespräch darauf hin, daß er eine „Disziplinarstrafe” verhängen werde. Der Beamte äußerte in dem Gespräch, er werde einen Rechtsanwalt beauftragen. Mit Anwaltsschreiben vom 12.6.1991 machte der Beamte geltend, ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst sei ihm nicht vorzuwerfen, da er durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen habe; Äußerungen, die er am 15.5.1991 getan habe, seien vor dem Hintergrund einer – ihm zuvor eröffneten – schlechten dienstlichen Beurteilung zu verstehen. Mit Disziplinarverfügung vom 19.6.1991 erteilte der Leiter der Justizvollzugsanstalt dem Beamten einen Verweis. Die eindeutige Erklärung des Beamten am 15.5.1991, den für den 16.5.1991 angeordneten zusätzlichen Dienst nicht zu verrichten, bedeute ein Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit § 73 Satz 1 und § 74 Satz 2 LBG.
Der Beamte legte unter dem 24.6.1991 Beschwerde ein. Die Disziplinarverfügung sei schon aus formellen Gründen aufzuheben. Ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen sei ihm entgegen § 24 Abs. 2 LDO (alt) nicht bekanntgegeben worden. Ferner sei er nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 in Verb. mit § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG auf das Recht hingewiesen worden, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen. Deshalb sei ein Antrag auf Beteiligung des Personalrats auch nicht gestellt worden. Im übrigen habe vor Bekanntgabe eines wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen auch noch gar nicht davon ausgegangen werden können, daß die Maßnahme einer Disziplinarverfügung – hier eines Verweises – beabsichtigt sei. Die Disziplinarverfügung könne ferner auch in der Sache keinen Bestand haben.
Das Justizministerium beteiligte mit Schreiben vom 8.7.1991 den Hauptpersonalrat; es übersandte ihm unter Bezugnahme auf § 72 Abs. 1 LPVG den Entwurf einer – zurückweisenden – Beschwerdeentscheidung. Der Hauptpersonalrat erklärte unter dem 25.7.1991, er erhebe keine Einwendungen.
Mit Bescheid vom 5.8.1991 wies das Justizministerium die Beschwerde als unbegründet zurück. Dem Gebot des § 24 Abs. 2 LDO (alt) sei genügt. Die versehentlich unterbliebene Beteiligung des Personalrats könne in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden. Die Disziplinarverfügung sei auch nicht aus sachlichen Gründen aufzuheben.
Am 4.9.1991 hat der Beamte – entsprechend der dem Beschwerdebescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung – beim Verwaltungsgericht Stuttgart – Disziplinarkammer – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Mit Beschluß vom 30.9.1991 hat dieses Gericht die Sache zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Sigmaringen – Disziplinarkammer – verwiesen. Der Beamte hat beantragt, die Disziplinarverfügung vom 19.6.1991 und den Beschwerdebescheid vom 5.8.1991 aufzuheben.
Mit Beschluß vom 25.9.1992 h...