rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebende Beschwerdeentscheidung mit Entscheidungsübertragung an Vorinstanz. Beachtung des rechtlichen Gehörs im Prozesskostenhilfeverfahren. Unvollständiger Erklärungsvordruck. Notwendigkeit der Aufforderung zur Vervollständigung unter Fristsetzung. Rückforderung von Sozialhilfe. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Befugnis des Beschwerdegerichts nach § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO, den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben und dem Verwaltungsgericht die abschließende Entscheidung (hier: über das Prozesskostenhilfegesuch) zu übertragen.
2. Ist die dem Prozesskostenhilfegesuch beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig, darf das Gericht das Gesuch nicht mit dieser Begründung ablehnen, ohne zuvor den Antragsteller unter Fristsetzung aufgefordert zu haben, die Erklärung zu vervollständigen.
Normenkette
VwGO §§ 166, 173; ZPO § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2, § 572 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 04. Februar 2003 – 2 K 236/02 – aufgehoben. Dem Verwaltungsgericht wird die abschließende Entscheidung über den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts übertragen.
Tatbestand
I.
Die Beklagte wehrt sich gegen die seitens des klagenden Landkreises geltend gemachte Rückforderung darlehensweise gewährter Sozialhilfeleistungen in Höhe von 16. 993,60 DM.
Mit Schriftsatz vom 14.01.2002 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten Prozesskostenhilfe und ihre Beiordnung unter Vorlage einer Erklärung vom 14.01.2002 über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in der unter anderem als Vermögen zwei Kraftfahrzeuge – VW Polo, Bj. 88, und VW Passat, Bj. 87, – im Wert von 300 bzw. 500 DM angegeben waren. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 04.02.2003 mit der Begründung ab, die Erklärung vom 14.01.2002 enthalte zwar die Angabe, dass bei der LBS ein Bausparkonto sowie bei der Volksbank I. und der Bezirkssparkasse Ü. jeweils ein Girokonto vorhanden seien, jedoch sei die Spalte mit dem Verkehrswert oder der Guthabenshöhe für diese Konten nicht ausgefüllt.
Hiergegen hat die Beklagte am 04.03.2003 beim Verwaltungsgericht Beschwerde eingelegt unter Vorlage einer „Auskunft über Einkünfte und Vermögen” vom 04.03.2003. Am selben Tag hat das Verwaltungsgericht den Beschluss gefasst, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und zwar mit der Begründung, die vorgelegte „Auskunft über Einkünfte und Vermögen” entspreche nicht dem Formular für die „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse” und sei unvollständig. So fehle etwa die Angabe über Kraftfahrzeuge.
Im Beschwerdeverfahren hat die Beklagte eine weitere Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 04.04.2003 nebst Anlagen vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache dergestalt Erfolg, dass der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO (i.d.F. des am 01.07.02 in Kraft getretenen Zivilprozessreformgesetzes vom 25.04.01) aufgehoben und dem Verwaltungsgericht die abschließende Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch übertragen wird. Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch, weil sich das Verwaltungsgericht, dem im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung durch das Beschwerdegericht über den Antrag ein Entscheidungsvorrang zukommt, bisher weder mit der Hilfsbedürftigkeit der Beklagten noch mit den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung befasst hat (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 26.03.1979 – VII 3206/778 –, ferner OVG Hamburg, Beschluss vom 13.12.1989 – Bs IV 606/89 –, juris, und OVG Saarlouis, Beschluss vom 28.06.1996, NVwZ-RR 1997, 391; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 150 Rn 2; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 572 Rn 23).
Das Verwaltungsgericht durfte das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten hier nicht mit der Begründung ablehnen, der nach § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag beigefügte Erklärungsvordruck sei unvollständig ausgefüllt, ohne zuvor die Beklagte unter Fristsetzung aufzufordern, ihre Angaben zu vervollständigen, was unterblieben ist. Die Beachtung des rechtlichen Gehörs im Prozesskostenhilfeverfahren erfordert, dass das Gericht dem Antragsteller Gelegenheit gibt, für unvollständig erachtete Angaben zu vervollständigen, bevor es über den Antrag entscheidet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.02.1999, NJW 2000, 275). Hierzu ist das Gericht auch wegen der ihm im Prozesskostenhilfeverfahren obliegenden besonderen Fürsorgepflicht gehalten (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 117 Rn 35). Im übrigen ergibt sich aus § 118 Abs. 2 ZPO, dass das Gericht auch selbst Erhebungen anstellen kann, so dass es desha...