rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe. Versorgungsempfänger. Postoperative Behandlung. Unterstützung. Heilfürsorge. Wohnungsfürsorge. Ausland. Reise. Wohnsitz. Flugkosten. Vergleichsberechnung. Antrag auf Zulassung der Berufung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob und in welcher Höhe die Kosten für einen Flug aus dem Ausland zur postoperativen Behandlung nach Deutschland beihilfefähig sind, die einem Versorgungsempfänger entstehen, der sich ganz überwiegend im Ausland und nur für einige Wochen im Jahr zu Besuchszwecken im Inland aufhält.
Normenkette
BVO a.F. § 6 Abs. 1 Nr. 9, § 13 Abs. 1; BGB § 7 Abs. 1-2
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Urteil vom 23.06.2004; Aktenzeichen 7 K 3172/02) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2004 – 7 K 3172/02 – wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.380,43 EUR festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten genannten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigen aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, bzw. wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.1997 – 4 S 496/97 –, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000, VBlBW 2000, 392). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten dürfte das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt haben, dass der Ausschlusstatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 d) BVO a.F. nicht greift, weil es sich nicht um eine Rückbeförderung wegen Erkrankung während einer Urlaubs- oder anderen Reise gehandelt hat. Der Begriff der Reise ist in den Beihilfevorschriften nicht ausdrücklich definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einer Reise die unterschiedliche Zwecke verfolgende Fahrt vom Wohnsitz zu einem entfernten Ort einschließlich einer gewissen Dauer des Fortbleibens (vgl. nur OLG Hamm, Urteil vom 16.11.1990, VersR 1991, 689). Die Frage, ob der Kläger zu dem maßgebenden Zeitpunkt einen Wohnsitz im Inland gehabt hat, beurteilt sich nach § 7 BGB. Nach dessen Absatz 1 begründet eine Person einen Wohnsitz an einem Ort, an dem sie sich ständig niederlässt. Dies setzt den Willensentschluss, sich an einem bestimmten Ort ständig niederzulassen (Domizilwille), und die Ausführung dieses Entschlusses durch tatsächliche Niederlassung voraus, wobei „sich niederlassen” bedeutet, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse an den betreffenden Ort zu verlegen (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 20.09.2001, LKV 2002, 230). Nach § 7 Abs. 2 BGB kann zwar der Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Ein weiterer Wohnsitz ist aber nur gegeben, wenn der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ungefähr gleichmäßig auf die verschiedenen Orte verteilt ist, was auch dann der Fall sein kann, wenn der dauernde, obschon nicht ununterbrochene Aufenthalt in der Weise wechselt, dass von dem jeweiligen Aufenthaltsort aus die gesamten Lebensverhältnisse schwerpunktmäßig bestimmt werden. Eine Person hat aber keinen Wohnsitz an einem Ort, an dem sie sich regelmäßig für kürzere oder längere Zeit aufhält, wenn der Aufenthalt an diesem Ort jeweils nur im Hinblick auf einen eng begrenzten Teil ihrer gesamten Lebensverhältnisse genommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1985, BVerwGE 71, 309 ff.).
Nach diesen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung des Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger in Deutschland keinen Wohnsitz mehr im oben genannten Sinne hat. Nach seinen insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben hält er sich in der Regel mehr als elf Monate in Rumänien auf, so dass schon in zeitlicher Hinsicht die Annahme ausscheidet, der Mittel- oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Klägers sei ungefähr gleichmäßig auf Rumänien und Deutschland verteilt. Dass der Kläger noch ein Wohnhaus in Deutschland besitzt, dort polizeilich gemeldet ist und sich für einige Wochen im Jahr z...