rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausländerrecht. Aufenthaltserlaubnis. Anhörungsrüge. Asylbewerber. Aufschiebende Wirkung. Sonstiges Gerichtsverfahrensrecht. Aufenthaltserlaubnis, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. vorläufiger Rechtsschutz. Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anhörungsrüge nach § 152 a VwGO schließt für die nach dem 01.01.2005 bekannt gewordenen, im Eilverfahren begangenen gerichtlichen Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit aus, wegen eines solchen Verstoßes eine Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO zu beantragen.
2. Auch ein als Asylbewerber eingereister türkischer Staatsangehöriger kann seinen Familienangehörigen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 vermitteln.
Normenkette
ARB 1/80 Art. 7; VwGO § 80 Abs. 7, § 152a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2005 – 11 K 74/05 – geändert; der Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.12.2004 – 13 S 2510/04 – wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen und des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene (§ 147 Abs. 1 VwGO) und mit Gründen versehene (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat sachlich Erfolg; die von dem Antragsteller nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausreichend substantiiert dargelegten Bedenken gegen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart führen zu der von ihm bei sachgerechter Auslegung des Antragsziels (s. § 86 Abs. 3 VwGO) beantragten Abänderung. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis und die gleichzeitig ergangene Abschiebungsandrohung (Verfügung der Antragsgegnerin vom 20.04.2004; Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 05.10.2004) überwiegt – unabhängig von der am 11.10.2004 vollzogenen Abschiebung des Antragstellers (s. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 20.01.2004 – 12 TG 3204/03 –, EZAR 622 Nr. 42 und schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.06.1992 – 11 S 736/92 –, InfAuslR 1992, 342) – nach wie vor das entgegenstehende Interesse der Antragsgegnerin, das darauf gerichtet ist, den Antragsteller auch während des Klageverfahrens (weiterhin) vom Bundesgebiet fernzuhalten. Auch unter Berücksichtigung der im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vorgetragenen Bedenken rechtfertigt die Erfolgsprognose im Hauptsacheverfahren nach wie vor die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage; auch jetzt noch ist von einer ausreichend positiven Prognose für das Hauptsacheverfahren auszugehen, so dass der Abänderungsantrag abzulehnen war.
1.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdebegründung ist der im Abänderungsverfahren ergangene verwaltungsgerichtliche Beschluss allerdings nicht bereits aus prozessualen Gründen – insbesondere wegen fehlender Abänderungskompetenz des Verwaltungsgerichts – zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht ist wegen der fortdauernden Anhängigkeit der Klage in erster Instanz nach wie vor „Gericht der Hauptsache” und kann daher auch im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO tätig werden. Auch das ab 01.01.2005 neu geschaffene Institut der sog. Anhörungsrüge (§ 152a VwGO und Art. 8 Nr. 3 sowie Art. 22 des Anhörungsrügengesetzes vom 09.12.2004 (BGBl. I S. 3220)) steht der Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichts nicht entgegen. Die Anhörungsrüge schließt zwar – insoweit folgt der Senat dem Verwaltungsgericht nicht – eine wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs beantragte Abänderung nach § 80 Abs 7 VwGO grundsätzlich aus (1.1.); im vorliegenden Fall greift dieser Ausschluss aber aus Zeitgründen (noch) nicht (1.2.).
1.1.
Zu Recht wendet die Beschwerde in grundsätzlicher Hinsicht ein, das Institut der Anhörungsrüge stehe einer (anderweitigen) Abänderungsbefugnis wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs (hier: Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO) entgegen. Die Anhörungsrüge ist vom Gesetzgeber als Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bewusst geschaffen worden, um die – sonst prozessual in vielen Fällen unklare – Geltendmachung von Anhörungsmängeln bei solchen Gerichtsentscheidungen zu ermöglichen, gegen die (s. § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO) „ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf … nicht gegeben ist” (s. Guckelberger NVwZ 2005, 11; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.02.2005 – 3 S 83/05 –, VBlBW 2005, S. 153 und OVG Berlin, Beschluss vom 03.02.2005 – 2 B 14/04 –, NVwZ 2005, 470); es sollte damit angesichts der Überlastung des Bundesverfassungsgerichts auch die für die Verfassungsbeschwerde erforderliche Ausschö...