Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesverfassungsrecht. Steuer. Antragsbefugnis, Klagebefugnis, Rechtsschutzbedürfnis, richtiger. Beklagter. Religionsgemeinschaft. Religionsgesellschaft. Körperschaft des öffentlichen Rechts. Kirchensteuer. Austritt. Kirchenaustritt. modifizierter Kirchenaustritt. Körperschaftsaustritt. Austrittserklärung. Zusatz
Leitsatz (amtlich)
1. Wer den Austritt aus einer Kirche erklärt, die nach staatlichem Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und deswegen u.a. zur Erhebung von Kirchensteuer berechtigt ist, kann seine Austrittserklärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken.
2. Durch die behördliche Feststellung der Wirksamkeit eines Kirchenaustritts ist die Kirche in eigenen Rechten betroffen (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3, 6; KiStG BW § 26 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 15.07.2009; Aktenzeichen 2 K 1746/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Juli 2009 – 2 K 1746/08 – geändert.
Die dem Beigeladenen erteilte Bescheinigung des Standesamts der Beklagten vom 05.07.2007 über den “Austritt aus einer Kirche” und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 12.08.2008 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Austritts des Beigeladenen aus der römisch-katholischen Kirche.
Der Beigeladene, ein emeritierter Professor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Universität Freiburg i.Br., gab am 05.07.2007 vor der Standesbeamtin der beklagten Stadt Staufen im Breisgau eine formularmäßige Erklärung über den Kirchenaustritt ab. In dem Formular, das mit “Austritt aus einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft” überschrieben ist, befindet sich eine Rubrik “Erklärung”, deren erste Zeile die Überschrift “Rechtliche Zugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft” trägt. Auf Bitten des Beigeladenen trug die Standesbeamtin in diese Zeile die Worte “römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes” ein. In einer zweiten Zeile (ohne Überschrift) wurden die Worte eingetragen: “Ich trete aus der angegebenen Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft aus.”
Auf der Grundlage dieser Erklärung händigte das Standesamt der Beklagten dem Beigeladenen am 05.07.2007 eine Austrittsbescheinigung aus und übersandte am selben Tag dem katholischen Pfarramt Staufen des Klägers (Erzbistum Freiburg) ein als “Mitteilung über den Austritt” bezeichnetes, nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben.
Gegen die dem Beigeladenen erteilte Bescheinigung wandte sich das Erzbischöfliche Ordinariat des Klägers mit Schreiben vom 17.08.2007. Er hält die Worte “Körperschaft des öffentlichen Rechtes” für einen Zusatz. Ein derartiger Zusatz mache die von dem Beigeladenen abgegebene Erklärung unwirksam, weil die Erklärung des Kirchenaustritts nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg (KiStG) keine Zusätze und Bedingungen enthalten dürfe. Die von dem Beigeladenen gewählten Worte seien zudem geeignet, eine erhebliche Unsicherheit und Unklarheit hervorzurufen. Damit stünden sie auch in Widerspruch zu den Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 23.02.1979 – 7 C 32/78 –, DÖV 1980, 450 = Buchholz 401.70 Kirchensteuer Nr. 17) an die Abgabe einer Kirchenaustrittserklärung stelle.
Dem ist der Beigeladene entgegengetreten. Seine Erklärung beschränke sich auf den Bereich des staatlichen Rechts. Einen Zusatz habe er sorgfältig vermieden; im Unterschied zu dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.02.1979 zugrunde liegenden Fall habe er bewusst auf die Formulierung “römisch-katholische Kirche als [Körperschaft des öffentlichen Rechts]” verzichtet. Die Worte “Körperschaft des öffentlichen Rechtes” seien eine bloße Wiederholung der geltenden verfassungsrechtlichen Bezeichnung in Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV). Ihre Verwendung stelle klar, dass der Erklärung kein überschießender, d.h. den Bereich des staatlichen Rechts überschreitender und in das kanonische Recht hineinreichender Gehalt zukomme.
Mit Schreiben vom 12.06.2008 erklärte auch die beklagte Stadt gegenüber dem Kläger, die Bezeichnung “Körperschaft des öffentlichen Rechtes” sei kein rechtswidriger Zusatz, sondern diene allein der richtigen Bezeichnung der Kirche.
Ein Widerspruch des Klägers gegen die Bescheinigung vom 05.07.2007 blieb erfolglos. In dem am 18.08.2008 zugestellten Widerspruchsbescheid bejahte das Landratsamt Freiburg-Hochschwarzwald zwar die Zulässigkeit des Widerspruchs, insbesondere die Widerspruchsbefugnis des Klägers. Der Wider...