Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsfrist. Bebauungsplanänderung. Zwischengemeindliches Rücksichtnahmegebot. zentrenrelevanter Einzelhandel. Innerstädtischer Versorgungsbereich. Gültigkeit des Bebauungsplans „Kerz”, vom 26.07.1999
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Änderungsbebauungsplan ist eine selbständige Satzung, die nur innerhalb der durch ihre Bekanntmachung in Gang gesetzten Antragsfrist im Wege der Normenkontrolle angegriffen werden kann. Die Rechtmäßigkeit früherer Änderungsplanungen kann aber als Vorfrage (incidenter) insoweit überprüft werden, als davon die Rechtmäßigkeit der neueren Fassung des Bebauungsplans, die Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens ist, abhängt.
2. Eine Gemeinde kann sich nicht darauf berufen, der Bestand und die Entwicklungschancen ihrer zentralen Hauptgeschäftslage würden durch die Zulassung von Einzelhandelsbetrieben im Gewerbegebiet einer Nachbargemeinde bedroht, wenn sie selbst in einem am Stadtrand – an der gemeinsamen Gemarkungsgrenze – gelegenen Planbereich in weit höherem Maße in gleicher Weise zentrenrelevante Nutzungen ermöglicht.
Normenkette
VwGO § 47 Abs. 2; BauGB § 2 Abs. 2
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerin, die im Regionalplan als Mittelzentrum eingestuft ist, wendet sich gegen den Bebauungsplan „Kerz” ihrer – nicht zentralörtlichen – Nachbargemeinde, der Gewerbe- und Sondergebiete für großflächige Handelsbetriebe ausweist.
Das ca. 16 ha große Plangebiet liegt etwa 2 km östlich des Kernortes der Antragsgegnerin und in etwa gleicher Entfernung zum Stadtzentrum der Antragstellerin. Es wird im Norden durch die B 14 begrenzt, von der es auch seine Zufahrt nimmt und im Osten durch die gemeinsame Gemarkungsgrenze der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Ostwärts schließt sich das durch eine gemeinsame Straße (Daimlerstraße) als zentrale Ost-West-Achse verbundene Gewerbegebiet „Stadtheide” der Antragstellerin an. Der Plan sieht heute in sechs größeren Baufenstern zwei- bis dreigeschossig bebaubare Gewerbe- und Sonderflächen für großflächige Einzelhandelsbetriebe vor. Er hat folgende Vorgeschichte:
Am 15.11.1993 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin den (Ursprungs-)Bebauungsplan „Kerz” als Satzung. Er sah ein Gewerbegebiet in der heute noch geltenden Flächenausdehnung vor. In der Planbegründung hieß es, entsprechend der Lage des Gebiets und dem vorhandenen Bedarf solle der Schwerpunkt auf der rein gewerblichen Nutzung – auch für großflächige Betriebe – liegen. Die Möglichkeit der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben sei durch die Zielsetzung eingeschränkt, außerhalb von Schwäbisch Hall, Michelfeld und der umliegenden Orte kein generelles Einkaufszentrum zu entwickeln. Branchen, die für Stadtzentren typisch seien und zum Einkaufserlebnis beitrügen, sollten nicht angesiedelt werden. Demgemäß erklärte der Bebauungsplan Einzelhandelsbetriebe der Branchen Textilien, Schuhe, Sport- und Spielwaren für unzulässig. Die Antragstellerin hatte im Aufstellungsverfahren gegen die Planung keine grundsätzlichen Bedenken erhoben, sondern lediglich aus ihren im Gewerbegebiet „Stadtheide” gewonnenen Erfahrungen Anregungen für die Straßen-, Wege- und Grünstreifenanlegung gegeben. Der Bebauungsplan trat am 2.3.1995 in Kraft.
Ausgelöst durch Ansiedlungswünsche von Gewerbebetrieben beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 13.9.1995 im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB eine 1. Änderung des Bebauungsplans. U.a. wurden in den beiden als GE1 bezeichneten westlichsten Baufenstern Einzelhandelsbetriebe der Branchen Lebensmittel, Textilien, Schuhe, Sport- und Spielwaren ausnahmsweise für zulässig erklärt. Für die übrigen Bauflächen (GE2) wurden darüber hinaus Lebensmittel-Einzelhandelsbetriebe generell ausgeschlossen. Die Antragstellerin wurde als Eigentümerin von Flächen im Plangebiet mit Schreiben vom 1.6.1995 angehört, nahm zu der am 21.9.1995 in Kraft getretenen Änderungsplanung aber nicht Stellung.
Ebenfalls am 13.9.1995 wurde eine 2. Änderung des Bebauungsplans beschlossen, die zusätzlich zu den bereits im Ursprungsplan enthaltenen Festsetzungen über maximale Traufhöhen die zulässige Anzahl der Vollgeschosse begrenzte. Auch hierzu äußerte sich die Antragstellerin nicht. Die Änderung wurde ebenfalls am 21.9.1995 bekanntgemacht.
Am 19.7.1995 leitete die Antragsgegnerin das Verfahren zur 3. Änderung des Bebauungsplans ein. Angestrebt wurde im Hinblick auf bestehende Nachfragen für Verkaufsmärkte der Branchen Textil, Gartenbedarf und Baustoffe die Schaffung eines Sondergebiets für großflächige Einzelhandelsbetriebe (SO GHB) mit einer Fläche von 2.000 bis 3.000 m². Die Nachfragen bezogen sich auf das beiderseits der Zufahrtsstraße von der B 14 gelegene Teilgebiet mit einer Fläche von ca. 6 ha, wovon 3,4 ha im Eigentum der Antragstellerin standen. In der Begründung zum Änderungsentwurf vom 2.10.1995 hieß es, für die Antragsgegnerin sei es aus finanzieller Sicht unerläßl...