Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfefähigkeit. Beihilfe. Unterstützung. Heilfürsorge. Wohnungsfürsorge. Krankheit. Haarausfall. Androgenetische Alopezie
Leitsatz (amtlich)
Der Haarausfall bei einem Mann (hier: androgenetische Alopezie) ist keine Krankheit im Sinne des Beihilferechts, solange er nicht ursächlich zu krankhaften Folgeerscheinungen anderer Art, insbesondere psychischen Beeinträchtigungen führt.
Normenkette
BVO § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 22.08.2003; Aktenzeichen 17 K 1792/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. August 2003 – 17 K 1792/03 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist Richter im Dienst des Beklagten. Er leidet an progredienter androgenetischer Alopezie (erblich bedingtem Haarausfall). Er begehrt Beihilfe für das ihm ärztlich verordnete Mittel „Propecia”, das dem Haarausfall entgegenwirken soll. Mit Bescheid vom 26.09.2002 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg den Antrag ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, „Propecia” sei kein Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts und gehöre zu den kosmetischen Mitteln. Der Kläger hat daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens macht der Senat sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen und nimmt auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug (§ 130b Satz 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 22.08.2003 stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger Beihilfe in Höhe von 299,25 EUR entsprechend den ärztlichen Verordnungen zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe Anspruch auf die begehrte Beihilfe, da die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme beihilfefähiger Aufwendungen erfüllt seien. Nach dem vorliegenden ärztlichen Attest leide der Kläger an einer progredienten androgenetischen Alopezie. Dabei handele es sich um eine Krankheit im Sinne von § 6 Abs. 1 BVO, weil dem beihilferechtlichen Krankheitsbegriff entsprechend ein Körperzustand gegeben sei, der von der Norm, nämlich einem ungehinderten Haarwachstum, abweiche. Ein damit sich anbahnender weitgehender Verlust der Kopfhaare könne als ein das Wohlbefinden einschränkender Zustand angesehen werden, wie sich auch aus der teilweisen Erstattungsfähigkeit von Perücken oder Toupets nach Nr. 2.1. der Anlage zur Beihilfeverordnung ergebe. Das ärztlich verordnete Mittel „Propecia” sei auch kein kosmetisches Mittel, sondern ein Arzneimittel im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO, da es nach der Fachinformation und den vom Kläger vorgelegten Beipackzetteln dazu bestimmt sei, seine Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung im menschlichen Körper zu erzielen; die wegen der Hemmung des Haarausfalls ebenfalls bewirkte Verbesserung des Aussehens stehe der Eigenschaft als Arzneimittel nicht entgegen. Das Mittel „Propecia” sei schließlich nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarf zu ersetzen, so dass § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO der Beihilfefähigkeit der dadurch hervorgerufenen Aufwendungen nicht entgegenstehe.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. August 2003 – 17 K 1792/03 – zu ändern und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor: Androgenetische Alopezie sei keine Krankheit im Sinne des Beihilferechts, da sie keinen Körperzustand darstelle, der außerhalb der Bandbreite des „Normalen” als regelwidrig bezeichnet werden könne. Dies folge sowohl daraus, dass etwa die Hälfte aller Männer davon betroffen sei, als auch daraus, dass durch Alopezie weder die körperliche Leistungsfähigkeit noch die psychische Gesundheit beeinträchtigt würden. Die Behandlung der Alopezie habe daher rein ästhetische Bedeutung und erfülle, wovon auch die Fachleute ausgingen, nicht die Kriterien einer medizinisch indizierten Heilbehandlung. Bei den entstandenen Aufwendungen handele es sich vielmehr um Kosten der Lebenshaltung. Das Mittel „Propecia” sei deshalb geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Unabhängig von der Frage, ob eine Krankheit vorliege, handele es sich auch nicht um notwendige Aufwendungen im Sinne des Beihilferechts, da der Kläger allein sein äußeres Erscheinungsbild subjektiv als nachteilig empfinde.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten. Er hält das Ur...