Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfallbeseitigung. Verwaltungsvollstreckung. Konkursverwalter. Konkursforderung. Massekosten. Masseschuld. Zustandsstörer. Beseitigungsverfügung. Altlast. Ersatzvornahme. Leistungsbescheid. Ersatzvornahmekosten. Beweiswürdigung. Sonderabfallentsorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Konkursverwalter obliegt als Abfallbesitzer und daher als Zustandsstörer auch für eine von der Gemeinschuldnerin überkommene Altlast eine Beseitigungspflicht.

2. Die eine auf den Konkursverwalter überkommene Altlast betreffende abfallrechtliche Beseitigungspflicht stellt keine Konkursforderung im Sinne der §§ 3, 69 KO dar. Die Beseitigungspflicht kann nicht durch die zuständige Behörde als Konkursforderung zur Konkurstabelle angemeldet werden.

3. Ersatzvornahmekosten können Masseschulden sein, wenn die Beseitigungspflicht des Konkursverwalters auf einer Handlung im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO beruht.

 

Normenkette

LAbfG § 10 Abs. 1 Nr. 2; AbfG §§ 1, 3 Abs. 4; KO §§ 3, 6, 12, 14, 58, 59 Abs. 1 Nr. 1, §§ 69, 117, 138; LVwVfG §§ 2, 18, 19 Abs. 1 Nr. 2, §§ 20, 25

 

Verfahrensgang

VG Karlsruhe (Urteil vom 19.10.1989; Aktenzeichen 5 K 226/88)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 1989 – 5 K 226/88 – teilweise geändert. Der Leistungsbescheid des Landratsamts Calw vom 25. April 1988 und insoweit auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 14. September 1988 werden aufgehoben. Im übrigen wird die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger und der Beklagte je die Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin. Über deren Vermögen hat das Amtsgericht Calw am 3.2.1984 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger hat den Geschäftsbetrieb, der ursprünglich die Herstellung von Zubehörteilen für die Elektroindustrie und von Fotoapparaten zum Gegenstand hatte, endgültig im September 1984 eingestellt. Zwischen den Beteiligten ist streitig geblieben, in welchem Umfang die Produktion im Hauptbetrieb in … bzw. in einem Zweigbetrieb in … vom Kläger fortgeführt wurde. Der Kläger behauptet, es seien lediglich noch Kameras aus vorhandenen Halbfertigteilen im Hauptbetrieb montiert worden; der Betriebsteil Oberflächenbehandlung, in dem Chemikalien zum Einsatz gekommen seien, sei bereits lange vor der Konkurseröffnung stillgelegt gewesen. Der Beklagte geht aufgrund einer Behauptung des ehemaligen kaufmännischen Geschäftsführers und Gesellschafters der Gemeinschuldnerin – Chemikalien seien durchweg zur Oberflächenbehandlung der mechanischen Teile benötigt und bei der Betriebsfortführung durch den Kläger auch weiterverwendet und hinzuerworben worden – davon aus, daß der Kläger die Lagerung von Chemikalien bzw. deren Ablagerung ohne jegliche Sicherheitsmaßnahmen auf dem Betriebsgrundstück … in zu verantworten habe. Bereits am 15.5.1984 hat das Wasserwirtschaftsamt Freudenstadt auf der Grundlage einer Information des ehemaligen kaufmännischen Geschäftsführers und Gesellschafters der Gemeinschuldnerin dem Beklagten mitgeteilt, daß im Hauptbetrieb … die Produktion im Juni 1984 eingestellt werde und deshalb für die umfänglich vorhandenen Chemikalien aus der Galvanik ein Abnahmetermin erforderlich sei, damit sichergestellt werde, daß sich keine Restchemikalien mehr auf dem Betriebsgelände befänden. Das Betriebsgrundstück in … hat der Kläger am 15.5.1985 mit Ausnahme von Gegenständen, die zum Fabrikzubehör gehören, an die Stadt Bad Liebenzell verkauft; die Übergabe und die Auflassung erfolgten am Tage der Beurkundung.

Mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 23.1.1987 gab der Beklagte nach vorangegangenen vergeblichen Bemühungen um eine einvernehmliche Beseitigung dem Kläger, um einer drohenden Gefahr der Verunreinigung des Grundwassers und der in der Nähe des Betriebes vorbeifließenden Nagold entgegenzuwirken, auf, daß er sämtliche – in den Gründen näher umschriebene – auf dem ehemaligen Betriebsgelände in … sich befindenden Chemikalien unverzüglich, spätestens sieben Tage nach der Zustellung der Verfügung zu entfernen und auf einer zugelassenen Sondermülldeponie zu beseitigen habe. Des weiteren drohte der Beklagte dem Kläger die Ersatzvornahme an, falls er in der ihm gesetzten Frist der Beseitigungsanordnung nicht nachkommen werde. In den Gründen ist unter anderem dargelegt, daß sich die Kosten der Ersatzvornahme auf etwa 20.000,– DM belaufen würden. Aufwendungen für möglicherweise erforderliche zusätzliche Analysen seien dabei noch nicht berücksichtigt. Gegen die Verfügung legte der Kläger fristgerecht Widerspruch unter Hinweis darauf ein, daß er die Beseitigung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht veranlaßt habe. Gleichwohl blieb der Kläger untätig, da sich zur Abwicklung eines an eine Fachfirma zu vergebenden Auftrags nicht genügend Mittel in der Konkursmasse befanden. Der Beklagte ordnete deshalb, um Gefahr im Verzuge abzuwehren, mit...

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