Rechtskraft nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Heim. Betreutes Wohnen. Allgemeine Betreuungsleistungen. Vorhaltung Betreuung Verpflegung. heimrechtlicher Anordnungen. Sonstiges Gewerberecht. sonstiges Wirtschaftsrecht (wie Außenhandel, Währung, Sparkassen, Energiewirtschaft, Preise)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ändert sich bei einem feststellenden Verwaltungsakt die ihm zugrundeliegende Rechtslage, bestimmt sich die für die Überprüfung maßgebliche Rechtslage danach, auf welchen Zeitpunkt bzw. Zeitraum sich die getroffene Feststellung bezieht und wogegen sich die vom Adressaten erhobene (Anfechtungs-) Klage richtet.

2. Hat die durch Bescheid getroffene Feststellung der Behörde den Charakter eines Dauerverwaltungsakts, kann bei einer Änderung der Rechtslage dessen rechtliche Überprüfung zeitabschnittsweise anhand der Rechtslage vor und nach der Rechtsänderung erfolgen.

3. Die Anzeigepflicht nach § 12 HeimG bildet eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Feststellung der Behörde über die Anwendbarkeit des Heimgesetzes auf eine Wohnanlage für Senioren.

4. § 1 Abs. 2 HeimG (i.d.F.vom 5.11.2001, BGBl. S.2970) bezweckt, bestimmte Formen des Betreuten Wohnens vom Anwendungsbereich des Heimgesetzes auszunehmen.

5. Unter „Betreutem Wohnen” ist eine Wohnform für ältere oder behinderte Menschen zu verstehen, bei der im Interesse der Wahrung einer möglichst langdauernden eigenständigen Lebensführung neben der alten- und behindertengerechten Wohnung die Sicherheit einer Grundversorgung gegeben ist und im Bedarfsfall weitere Dienste in Anspruch genommen werden können.

6. Vorhalten von Betreuung und Verpflegung im Sinne des § 1 Abs. 1 HeimG setzt voraus, dass hierzu dienende Angebote des Trägers der Einrichtung Bestandteil einer dem Bewohner der Wohnanlage gewährten Versorgungsgarantie und Rundumversorgung sind, denen sich dieser rechtlich nicht entziehen kann oder vernünftigerweise nicht entziehen will.

7. Bei den Regelungen in § 1 Abs. 2 HeimG handelt es sich um Auslegungsregeln zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Heimgesetzes von hierzu nicht rechnenden Formen des Betreuten Wohnens, so dass u.U. auch andere Formen des Betreuten Wohnens als die in § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 HeimG erwähnten vom Geltungsbereich dieses Gesetzes auszunehmen sind.

8. Der Grundsatz, dass der Aufwand für allgemeine Betreuungskosten im Vergleich zur Wohnungsmiete nicht mehr von untergeordneter Bedeutung (§ 1 Abs. 2 Satz 2 HeimG) ist, wenn er 20 % des Mietentgelts erheblich übersteigt, stellt bloß eine – widerlegbare – Regelvermutung dar.

9. Bei einem über diesen Richtwert hinausgehenden Entgelt für allgemeine Betreuungsleistungen ist für die Einordnung der Einrichtung als Heim maßgeblich, inwieweit die damit abgegoltenen Leistungen auf den für ein Heim charakteristischen Personenkreis zugeschnitten sind und vorwiegend den Bedürfnissen älterer oder behinderter Menschen entsprechen.

10. Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Heimgesetzes von den hiervon ausgenommenen Formen des Betreuten Wohnens war nach der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung des Heimgesetzes nach denselben inhaltlichen Kriterien vorzunehmen wie nach der seitdem geltenden Neufassung dieses Gesetzes.

 

Normenkette

HeimG § 1 Abs. 1, 2 Sätze 1-3, § 12 Abs. 1; HeimG Fassung 1990 / 1997

 

Verfahrensgang

VG Sigmaringen (Urteil vom 17.04.2002; Aktenzeichen 1 K 1688/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. April 2002 – 1 K 1688/01 – geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 08. Mai 2000 wird insgesamt aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. April 2002 – 1 K 1688/01 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt seit 1993 – bis zum 09.09.1996 unter der Bezeichnung xxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxx, danach unter der derzeitigen Firma – auf dem Stadtgebiet der Beklagten eine in mehreren Bauabschnitten errichtete, als xxx xxxxxxx xxxxxxxx xxxxxxxxxxxx bezeichnete Wohnanlage für Senioren. Die Aufnahme dieser Tätigkeit wurde der Beklagten am 27.09.1993 angezeigt. Die Wohnanlage umfasst den in einem ersten Bauabschnitt errichteten Pflegebereich sowie die Bauabschnitte II und III mit zwei nach den Bestimmungen des Wohneigentumsgesetzes aufgeteilten Apartmentanlagen. Die darin gelegenen Eigentumswohnungen werden teils von den Eigentümern selbst (Eigennutzer), teils von Mietern aufgrund eines mit der Klägerin abgeschlossenen (Unter-)Mietvertrags bewohnt, wobei die Klägerin Hauptmieterin der Wohnungen ist. Die Zahl der eigengenutzten Wohnungen beläuft sich nach den Feststellungen der Beklagten (Stand 19.01.2000) auf 22 Wohnungen, die der Mietwohnungen auf 129 Wohnungen.

Voraussetzung für den Bezug der Wohnungen durch Eigentümer ist – ...

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