Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeines Polizeirecht. Zustandshaftung. Erbbauberechtigter. Sanierungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Erbbauberechtigte steht polizeirechtlich dem Eigentümer nicht gleich und kann deshalb nicht als Zustandstörer in Anspruch genommen werden, wenn er nicht zugleich Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die störende Sache ist.
Normenkette
PolG § 7
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Gerichtsbescheid vom 28.10.1996; Aktenzeichen 18 K 3591/95) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 1996 – 18 K 3591/95 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Beseitigung von CKW-Verunreinigungen und zur Übernahme der für Erkundungsmaßnahmen und die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Sanierung entstandenen Kosten.
Er unterhielt von Anfang der sechziger Jahre bis zum 1.6.1986 auf dem Grundstück Parkstraße 5 in Ostfildern-Nellingen einen Betrieb zur Herstellung von Metallteilen. Das Grundstück steht im Eigentum der Beigeladenen, der Kläger war seit etwa 1960 Erbbauberechtigter. Am 1.5.1986 verkaufte und übergab er das Betriebsgebäude und das Erbbaurecht an eine GmbH, die den Metallverarbeitungsbetrieb bis zum 31.12.1986 fortführte. Auch danach blieb das Gelände bis Anfang 1991 im Besitz der geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH, die dem Kläger seit Juni 1986 den Zutritt zu dem Anwesen verwehrten und in der Folgezeit die Schlösser austauschten. Gegen Sanierungsmaßnahmen erhoben sie allerdings keine Einwendungen. Zur dinglichen Übertragung des Erbbaurechts auf die GmbH kam es nicht. Nach einem vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 11.12.1990 geschlossenen Vergleich verblieb dies bei dem Kläger, der das Anwesen 1991 wieder in Besitz nahm.
Im August 1986 erhielt das Landratsamt Esslingen Hinweise auf mögliche Verunreinigungen des Grundstücks. Boden- und Bodenluftanalysen ergaben teilweise erhebliche Belastungen durch Trichlorethylen (Tri) und Tetrachloretyhlen (Per). Nach entsprechender Ankündigung des Landratsamtes (Bescheid vom 15.7.1987) führte ein Institut für Hydrogeologie im Wege der unmittelbaren Ausführung weitere Sondierungen durch Niederbringung einer Rammkernbohrung durch. Es stellte dafür DM 18.891,74 in Rechnung. Diesen Betrag forderte das Landratsamt mit Bescheid vom 17.11.1987 von dem Kläger und ordnete – sofort vollziehbar – die Sanierung des Grundwassers und des über dem Grundwasserspiegel stehenden CKW-verseuchten Bodens unter Androhung der Ersatzvornahme an. Der Kläger wurde ausdrücklich als Zustandsstörer herangezogen. Da er der Anordnung nicht nachkam, ordnete das Landratsamt Esslingen mit Bescheid vom 18.1.1988 die Durchführung der Ersatzvornahme an. Mit Bescheid vom 14.1.1993 setzte das Landratsamt die Kosten der inzwischen durchgeführten Ersatzvornahme auf DM 91.668,24 fest.
Mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 12.7.1995, dem Kläger zugestellt am 31.7.1995, wies das Regierungspräsidium Stuttgart seine Widersprüche gegen die Bescheide vom 17.11.1987, vom 18.1.1988 und vom 14.1.1993 zurück.
Am 22.8.1995 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Anfechtungsklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe die Verunreinigungen des Grundstücks weder verursacht noch verschuldet. Als Zustandsstörer könne er nicht in Anspruch genommen werden, da er weder Eigentümer sei noch im maßgeblichen Zeitraum die tatsächliche Gewalt über das Grundstück ausgeübt habe. Seine Stellung als Erbbauberechtigter mache ihn nicht zum Zustandsstörer. Der Beklagte und die Beigeladene haben die angefochtenen Bescheide verteidigt und geltend gemacht, der Erbbauberechtigte sei Zustandsstörer im Sinne von § 7 PolG.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.10.1996 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide des Landratsamtes Esslingen und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe nicht als Zustandsstörer herangezogen werden dürfen. Er sei im maßgeblichen Zeitpunkt weder Eigentümer noch Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück gewesen. Als Erbbauberechtigter stehe er dem Eigentümer aus polizeirechtlicher Sicht nicht gleich. Das baden-württembergische Landesrecht habe im Gegensatz zu anderen Bundesländern den Vorschlag des Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, neben dem Eigentümer auch andere Berechtigte der Zustandshaftung zu unterwerfen, auch bei seiner Neubekanntmachung im Jahre 1992 nicht übernommen. Der insoweit eindeutige Gesetzestext lasse deshalb eine Gleichstellung von Eigentümer und Erbbauberechtigten nicht zu.
Gegen den ihm am 13.12.1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat das beklagte Land am 8.1.1997 Berufung eingelegt. Es beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 1996 – 18 K 3591/95 – zu ändern ...