Entscheidungsstichwort (Thema)
Parlamentarische Anfrage. Amtliche Äußerung. Grundrechtseingriff. Persönlichkeitsrecht. Ehrenschutz. Diskriminierung. Bekenntnisfreiheit. Kunstfreiheit. Kunstförderung. Scientology. Widerruf. Richtigstellung. Unterlassung. Widerruf und Richtigstellung einer amtlichen Äußerung
Leitsatz (amtlich)
1. Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsbegehren eines Mitglieds der Scientology-Organisation wegen einer schriftlichen Äußerung der Landesregierung auf eine Landtagsanfrage zur Problematik staatlicher Kunstförderung bei Auftritten offen bekennender scientologischer Künstler.
2. Zur Qualität einer derartigen amtlichen Äußerung als mittelbarer faktischer Eingriff in Grundrechte.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3; LVerf Art. 27 Abs. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08.12.1995 – 4 K 4019/93 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein amerikanischer Staatsangehöriger und Mitglied von Scientology, wendet sich gegen Äußerungen der Landesregierung des Beklagten gegenüber dem Landtag.
Der Beklagte beabsichtigte, sich anläßlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im August 1993 in einem eigenen Rahmenprogramm „Baden-Württemberg-Club”) der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die von dem Beklagten beauftragte Agentur nahm mit dem Kläger, einem Pianisten, Vertragsverhandlungen über ein Konzert im Rahmen des „Baden-Württemberg-Clubs” auf. Sie brach diese Verhandlungen jedoch ab, als die Mitgliedschaft des Klägers in der Scientology-Organisation bekannt wurde. Mit Schreiben vom 21.05.1993 teilte sie dem Kläger eine Stellungnahme des Staatsministeriums des Beklagten mit, in der es unter anderem heißt:
„Die Regierung von Baden-Württemberg respektiert den religiösen Glauben von Herrn C. bzw. von jedem anderen. Herr C. kann natürlich, wo immer er will, Konzerte geben. Die Regierung wird Herrn C. für ein Konzert nicht engagieren. Die Regierung ist überzeugt, daß Scientology keine religiöse Gemeinschaft, sondern eine Sekte ist, die hauptsächlich kommerzielle Interessen hat.”
Unter dem 08.06.1993 beantragten Abgeordnete des Landtags einen Beschluß, mit
dem die Regierung ersucht werden sollte, „zu berichten,
- wie sie die generelle Problematik beurteilt, daß durch Auftritte von Künstlern, Ausstellungen o.ä. von bekennenden Scientologen in staatlichen Einrichtungen oder bei Veranstaltungen, die Landeszuschüsse erhalten, die sogenannte Scientology-Church zwangsläufig indirekt unterstützt wird;
- wie sie gewährleisten will, daß solche Honorar- oder Gagenzahlungen, die ja auch durch Landeszuschüsse finanziert werden, nicht teilweise an Scientology weitergeleitet werden und damit die Politik der staatlichen Bekämpfung dieser Organisation konterkariert wird;
- welches Vorgehen sie den jeweiligen Veranstaltern in einem solchen Falle empfiehlt.”
In der Begründung heißt es:
„Beim diesjährigen Internationalen Zeltmusikfestival in F. wird am
22. Juni 1993 C. mit seiner Band auftreten. Das Land bezuschußt diese Veranstaltung. Da C. sich regelmäßig in der Öffentlichkeit zu Scientology bekennt, dafür wirbt und Scientology nachweislich finanziell unterstützt, fördert das Land damit indirekt eine Organisation, gegen die man ansonsten vorzugehen versucht, um deren weitere Expansion zu verhindern.”
Mit Schreiben vom 09.07.1993 nahm das Ministerium für Kultus und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst zu dem Antrag Stellung (Lt.-Drs. 11/2051). Hierin heißt es:
„Die finanzielle Förderung von kulturellen Veranstaltungen bzw. Künstlern ist in Baden-Württemberg u.a. an dem sich aus dem grundgesetzlich normierten Gebot der Kunstfreiheit abgeleiteten Prinzip der Liberalität ausgerichtet. Nach diesem Prinzip wird auf die Kunstinhalte kein Einfluß ausgeübt. Die Verantwortung für die Kunstinhalte liegt ausschließlich bei den Künstlern und Kunstvermittlern.
Das Prinzip der Liberalität stößt aber dann an die Grenze des Hinnehmbaren, wenn letztlich mit Mitteln des Landes geförderte Künstler ihren Auftritt nachweislich in der Absicht absolvieren, für die Interessen von Gruppierungen, Vereinigungen oder Ideen zu werben, die von der Landesregierung für bekämpfenswert erachtet werden.
Dem Ministerium für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst war bisher die Verbundenheit von C. zu Scientology nicht bekannt. Zukünftig muß eine staatliche Förderung von Veranstaltungen in Frage gestellt werden, an der aktiv und offen bekennende Scientologen und Mitglieder ähnlicher Gruppierungen auftreten. Die Landesregierung hat daher im Rahmen einer Programmplanung des Baden-Württemberg-Clubs anläßlich der Leichtatlethik-Weltmei...