Rechtskraft nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Staatenlosigkeit. ausländischer Ehegatte eines Deutschen. Ausweisungsgrund. vorsätzliche Straftat. geringfügiger Rechtsverstoß. Strafbefehl. Einbürgerungserleichterungen. Miteinbürgerung. Analogie. Einbürgerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Ausländer wegen einer Straftat verurteilt, kann im Einbürgerungsverfahren auch dann in aller Regel von der Richtigkeit der Verurteilung ausgegangen werden, wenn sie im Strafbefehlsverfahren ergangen ist.

2. Bei der Beurteilung, ob eine vorsätzlich begangene Straftat ausnahmsweise ein geringfügiger Rechtsverstoß im Sinne des § 46 Nr. 2 AuslG ist, bleiben hypothetische Geschehensabläufe unberücksichtigt.

3. § 88 Abs. 1 Nr. 2 AuslG findet auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG keine entsprechende Anwendung.

Dies gilt auch dann, wenn der ausländische Ehegatte eines Deutschen die Einbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG begehrt.

 

Normenkette

StAG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1; AuslG § 46 Nr. 2, § 85 Abs. 2, § 88 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 16.09.2002; Aktenzeichen 9 K 389/02)

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 18.11.2004; Aktenzeichen 1 C 23.03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. September 2002 – 9 K 389/02 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am …1961 in Bukarest geborene Klägerin ist ehemalige rumänische Staatsangehörige und reiste am 12.6.1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 11.7.1997 heiratete sie Herrn …, der bereits am 17.12.1987 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte. Aus der Ehe ist die am …1998 geborene Tochter … hervorgegangen, die ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist. Am 25.08.1997 wurde der Klägerin eine bis zum 24.8.2000 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt; seit dem 31.7.2000 ist sie im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Am 08.06.2000 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung. Das Landratsamt Lörrach sagte der Klägerin am 31.7.2000 die Einbürgerung für den Fall zu, dass der Verlust der rumänischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Die Einbürgerungszusicherung galt bis zum 30.7.2002 und wurde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Einbürgerungsbewerbers bis zur Einbürgerung nicht ändern. Mit Schreiben vom 15.6.2001 bestätigte die Konsularabteilung der rumänischen Botschaft – Außenstelle Bonn –, dass der Antrag der Klägerin auf Entlassung aus der rumänischen Staatsangehörigkeit genehmigt worden sei und die Klägerin nicht mehr die rumänische Staatsangehörigkeit besitze.

Bereits am 30.1.2001 erging gegen die Klägerin ein Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach – 34 Cs 86 Js 12962/00 –, rechtskräftig seit dem 17.2.2001, wegen Betruges gemäß § 263 StGB, mit dem gegen die Klägerin eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu je 25 DM festgesetzt wurde. Der Klägerin wurde zur Last gelegt, dass eine Bekannte von ihr in ihrem Beisein am 22.11.2000 in einem Baumarkt ein Preisetikett in Höhe von 39 DM auf eine Lampe geklebt habe, deren tatsächlicher Preis 189 DM gewesen sei. Die Lampe mit der manipulierten Preisauszeichnung sei dann von der Klägerin an der Kasse zur Bezahlung vorgelegt worden, wobei die Klägerin gewusst habe, dass der Baumarkt um den Unterschiedsbetrag von 150 DM geschädigt worden sei.

Nach vorheriger Anhörung lehnte das Landratsamt Lörrach mit Bescheid vom 4.9.2001 den Antrag der Klägerin auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ab. Zur Begründung führte es aus: Wie sich aus dem Strafbefehl vom 30.1.2001 ergebe, habe die Klägerin einen vorsätzlichen und damit nicht bloß geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und mithin einen Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG verwirklicht. Dies stehe nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG ihrer Einbürgerung als Ehegatte ihres deutschen Ehemannes gemäß § 9 StAG entgegen.

Hiergegen legte die Klägerin am 25.9.2001 Widerspruch ein und machte geltend: Sie habe nach Erlass des Strafbefehls die Frage, ob sie gegen diesen Einspruch einlegen solle, mit ihrem Prozessbevollmächtigten besprochen. Dieser habe ihr erklärt, dass in solchen Fällen eine sehr gute Chance bestehe, nach einem Einspruch bei Gericht eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Jedoch habe der Anwalt aus Kostengründen von einem Einspruch abgeraten, da die Strafe aus dem Strafbefehl 250 DM betragen habe, während die Anwaltskosten für das Rechtsbehelfsverfahren erheblich höher gewesen wären. Im Übrigen ergebe sich aus der niedrigen Strafe, dass es sich nicht um einen erheblichen Gesetzesverstoß handele. Es sei rechtsfehlerhaft lediglich darauf abzustellen, dass es sich um eine Vorsatztat handele, ohne zu berücksichtigen, was für eine Tat überhaupt vorliege. Auch müsse überprüft werden, ob und inwieweit sie eine Straftat überhaupt begangen habe.

Das Regierungspräsidium Freiburg wies mit Widerspruchsbeschei...

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