Entscheidungsstichwort (Thema)
Flughafen. Gemeinde. Planungshoheit. Beteiligungsrecht. Nachtluftpostverkehr. Fluglärm. Änderung einer Genehmigung nach § 6 LuftVG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Flughafen im Sinn des § 48 Abs. 1 Nr. 6 VwGO ist nach der Definition in § 38 Abs. 1 LuftVZO ein Flugplatz, der nach Art und Umfang des vorgesehenen Flugbetriebs einer Sicherung durch einen Bauschutzbereich nach § 12 LuftVG bedarf. Hiervon ist auszugehen, wenn auf dem Flugplatz Flugzeuge mit einer Höchstabflugmasse von etwa 20 t im Instrumentenflugverkehr starten und landen sollen.
2. Eine Gemeinde kann als Eigentümerin von Grundstücken in der Umgebung eines Fachplanungsvorhabens ebenso wie ein privater Grundstückseigentümer nach den allgemeinen Grundsätzen Schutz vor den nachteiligen Wirkungen dieses Vorhabens verlangen, ohne daß es darauf ankommt, ob das betreffende Grundstück einen spezifischen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben besitzt (im Anschluß an BVerwGE 90, 96; BVerwGE 97, 14).
3. Der den Gemeinden in einem luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren zustehende Informationsanspruch bezieht sich nur auf die Unterlagen, wie sie im Genehmigungsverfahren vorliegen, nicht aber darauf, daß diese sachlich „richtig” oder „überzeugend” sind (im Anschluß an BVerwG, DÖV 1979, 517).
4. Die luftverkehrsrechtliche Genehmigungsbehörde ist zu einer ergänzenden Information der am Genehmigungsverfahren beteiligten Gemeinden nur dann verpflichtet, wenn wegen einer Änderung des Genehmigungsantrags oder aus sonstigen Gründen eine mehr als nur geringfügige Abweichung der Genehmigung von dem ursprünglich beantragten und den Beteiligten bekanntgegebenen Vorhaben in Betracht kommt und daß außerdem durch diese Abweichung die Belange der Gemeinden zusätzlich betroffen werden können.
5. Die Genehmigungsbehörde braucht eine Beeinträchtigung der auf die Schaffung weiterer Wohngebiete gerichteten Planungen der in der Nähe des Flugplatzes gelegenen Gemeinden nicht zu befürchten, wenn sich die zu erwartenden Fluglärmbelästigungen der künftigen Bewohner dieser Gebiete in einem zumutbaren Rahmen bewegen.
6. Zur Frage der Zumutbarkeit des durch Nachtluftpostflüge verursachten Fluglärms für die Bewohner benachbarter Wohngebiete.
Normenkette
VwGO § 48 Abs. 1 Nr. 6; LuftVG § 6 Abs. 1; GG Art. 28 Abs. 2
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung für die Benutzung des Flugplatzes Lahr zur Durchführung von Flügen im Nachtluftpostverkehr.
Der Flugplatz Lahr wurde in den fünfziger Jahren als Militärflugplatz errichtet und bis 1994 von der kanadischen Luftwaffe benutzt. Mit Bescheid vom 20.10.1995 erteilte das Regierungspräsidium Freiburg der Beigeladenen die Genehmigung zur zivilen Mitbenutzung des nach dem Abzug der Kanadier nur noch als NATO-Reserveflugplatz dienenden Flugplatzes in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr Ortszeit sowie in Ausnahmefällen und nach vorheriger Genehmigung durch den Flugplatzhalter in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Die zunächst auf die Durchführung von Flügen nach Sichtflugregeln beschränkte Genehmigung wurde am 30.9.1996 auf die Durchführung von Flügen nach Instrumentenregeln erstreckt.
Auf Antrag der Beigeladenen erweiterte das Regierungspräsidium Freiburg die Genehmigung mit Bescheid vom 31.7./30.9.1997 um die Durchführung von Nachtluftpostverkehr von Montag bis Samstag in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Erlaubt wurden im Regelfall je eine Landung und ein Start in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und je eine Landung und ein Start in der Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Gegen den Bescheid vom 31.7.1997 legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 5.9.1997 Widerspruch ein, der vom Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 7.4.1998 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Durch den Nachtluftpostverkehr werde die natürliche Entwicklung der Klägerinnen nicht nachteilig betroffen. Soweit überhaupt eine fühlbare und relevante Lärmbeeinträchtigung auftrete, entstehe sie nicht neu durch den Nachtluftpostdienst, sondern sei bereits durch die Vorbelastung infolge des (weiter) bestehenden NATO-Reserveflugplatzes gegeben. Dies ergebe sich schon aus der Tatsache, daß seinerzeit ein Lärmschutzbereich mit einem Dauerschallpegel ab 67 dB(A) festgesetzt worden sei. Dieser Wert werde weder durch den regulären Flugbetrieb bis 20 Tonnen auf dem Verkehrslandeplatz noch durch die vier nachträglich genehmigten Nachtluftpostbewegungen erreicht. Angesichts dieser situationsbedingten Vorbelastung hätten die Klägerinnen ihre Planungen auf die Gegebenheiten einstellen müssen. Im Bereich des Ortsteils Schuttern der Klägerin 1 sei nach Erteilung der angefochtenen Genehmigung ein Bebauungsplan in Kraft getreten, der im Bereich des ehemaligen Lärmschutzbereichs I mit einem angenommenen Dau...