1 Leitsatz
Eine Videoüberwachungsanlage, die unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums überwacht und das Geschehen aufzeichnet, ist zulässig, wenn das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und Dritter, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.
2 Normenkette
§ 4 BDSG; Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchstabe f) DSGVO
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K wendet sich mit einer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer die Installation einer Videoüberwachungsanlage beschlossen haben.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! Die Installation der Videoüberwachungsanlage sei nicht zu beanstanden. Die beklagten Wohnungseigentümer hätten substanziiert vorgetragen und hierzu auch Unterlagen und Strafanzeigen vorgelegt, wonach es vor dem Beschluss zu mehreren Diebstählen und Belästigungen von Wohnungseigentümern durch Dritte gekommen war. Im Fall überwiege daher das Interesse des Überwachenden das Interesse des Überwachten am Schutz seiner Privatsphäre. Die Ausgestaltung genüge inhaltlich und formell den Vorgaben des § 4 BDSG. Zwar könne die Herstellung von Filmaufzeichnungen einer Person mit einer Videokamera auch in Bereichen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, wie etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Eine Videoüberwachungsanlage, die unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums überwache und das Geschehen aufzeichne, sei aber zulässig, wenn das Überwachungsinteresse das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und Dritter, deren Verhalten mitüberwacht werde, überwiege und wenn die Ausgestaltung der Überwachung inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trage. Ob diese Vorgaben eingehalten worden seien, sei anhand einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Im Fall genüge der Beschluss diesen Anforderungen.
Hinweis
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist das Beobachten öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen eine Videoüberwachung, die zur Wahrung des Hausrechts zulässig ist, wenn keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Das BVerwG hat aber entschieden, dass § 4 BDSG gegen das EU-Recht verstößt und daher nicht anzuwenden ist (BVerwG, Urteil v. 27.3.2019, 6 C 2.18, NJW 2019 S. 2556). Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen zu privaten Zwecken ergibt sich daher nur aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchstabe f) DSGVO. Danach ist eine Videoaufzeichnung rechtmäßig, wenn
- die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist,
- sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Bei Wohnungseigentumsanlagen, die optisch überwacht werden, ergeben sich nach Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO ferner folgende Mindestanforderungen:
- Piktogramm (Kamerasymbol);
- Name des Verantwortlichen (einschließlich dessen Kontaktdaten);
- Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten (sofern Benennungspflicht);
- die Rechtsgrundlage sowie die Verarbeitungszwecke in Schlagworten;
- Angabe der Rechtsgrundlage;
- Dauer der Speicherung;
- Hinweis auf weitere ausführliche Informationspflichten gem. Art. 13 DSGVO nebst Hinweis zum Beschwerderecht/Auskunftsrecht etc.
Die Informationspflichten sind unmittelbar am Ort der Videoüberwachung, an einer für die Betroffenen leicht zugänglichen Stelle, darzustellen (z. B. Tiefgarage, Haupteingang oder Kassenautomat).
5 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 7.5.2020, 2-09 S 2/20