Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 157 BGB, § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 634 Abs. 3 BGB, § 5 AGB-Gesetz
Kommentar
Haben die Parteien in einem Ersterwerbsvertrag über eine Eigentumswohnung vereinbart, dass geringfügige Änderungen der berechneten Wohnfläche nicht zu einer Ermäßigung oder Erhöhung des Kaufpreises berechtigen sollen und ergibt sich nach Fertigstellung bei der endgültigen Berechnung eine deutliche Abweichung nach unten (hier: statt 102,5 qm nur 90,48 qm), so ist in Auslegung dieser Vertragsbestimmung davon auszugehen, dass die dann berechtigte Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) nicht um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3% gekürzt werden darf, sondern die Minderung in voller Höhe der Minderfläche geltend gemacht werden kann.
Diese Auslegung ergibt sich unabhängig davon, ob von einer formularvertraglichen oder individualrechtlichen Vertragsregelung auszugehen war. Auch bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze (im Sinne des § 634 Abs. 3 BGB) muss hier die volle Flächendifferenz (vorliegend: 12,02 qm) ausgeglichen werden.
Link zur Entscheidung
( BGH, Urteil vom 22.10.1999, V ZR 398/98, NZM 2000, 56).
zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel
Anmerkung:
Zu Recht weist Groß in kurzer Anmerkung in IBR 2/2000 darauf hin, dass nunmehr zunehmend Klarheit hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Wohnflächenabweichung bei neu erstellten Eigentumswohnungen eintritt. Dabei könne eine Wohnfläche sowohl im Vertrag ausdrücklich vereinbart sein, wie auch in dessen Anlagen, etwa den Bauplänen; sie könne sich auch aus dem Aufteilungsplan ergeben, u.U. auch aus Verkaufsprospekten, selbst wenn diese nicht mitbeurkundet sein sollten. Eine stillschweigende Vereinbarung einer Wohnfläche werde demgegenüber im Regelfall nicht in Betracht kommen (OLG Stuttgart, IBR 99/596, Seifert). Die Haftung für Wohnflächenabweichungen bestehe auch ohne ausdrückliche Zusicherung. Die Berechnung der Wohnfläche erfolge üblicherweise nach den §§ 42 bis 44 II. BVO (OLG Celle, IBR 98, 533, Seifert). Abweichende Vereinbarungen seien möglich; allerdings müsse einem Käufer die Berechnung klargemacht werden. Was Toleranzabweichungen beträfe, seien hier untergerichtlich bisher Prozentsätze zwischen 1 und 10 vertreten worden; die Unerheblichkeitsgrenze des § 634 Abs. 3 BGB werde offensichtlich vom BGH bei etwa 3% angenommen. Für die Minderungsberechnung gelte die Formel: Kaufpreis : geschuldete Fläche = Minderung : Minderfläche je qm (OLG München, NJW-RR 96, 1417). Nach OLG Celle (NJW-RR 99, 816) sei hier jedoch vorab vom Kaufpreis der Bodenwertanteil und der Anteil an Gemeinschaftsflächen abzuziehen. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung könne i.Ü. der Bauträger bei einer geleisteten Mehrfläche demgegenüber keine zusätzliche Vergütung beanspruchen, auch wenn diese den Unerheblichkeitsrahmen überschreiten sollte.