Leitsatz
In einer von einem ungarischen Stadtgericht am 3.11.2004 genehmigten Scheidungsvereinbarung verpflichtete sich der Antragsgegner, seinen in den Jahren 1995 und 1999 geborenen minderjährigen Kindern ab Oktober 2004 Unterhaltsrenten von monatlich je 150,00 EUR zu zahlen. Ab Mai 2005 wurden keine Zahlungen mehr geleistet. Mit Beschluss vom 24.3.2006 stellte das LG Dresden antragsgemäß den Inhalt des zu vollstreckenden Titels fest und ordnete an, dass der Titel mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsgegner Beschwerde beim OLG Dresden ein mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus der gerichtlichen Vereinbarung für unzulässig zu erklären. Seit Abschluss der Vereinbarung hätten sich seine Einkommensverhältnisse drastisch verschlechtert, er sei deshalb leistungsunfähig.
Die Beschwerde des Antragsgegners wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Vollstreckung aus der von dem ungarischen Stadtgericht genehmigten Scheidungsvereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts erst für die Zeit ab 1.5.2005 zulässig ist.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, die Erteilung der Vollstreckungsklausel für die am 3.11.2004 genehmigte Vereinbarung in Bezug auf den Unterhalt der Kinder richte sich weder nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 16.4.1958 (HUÜ 1958, BGBl. II, 1961, 1005) noch nach dem vom LG herangezogenen Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUÜ 1973, BGBl. II, 1986, 826), dort Art. 21, da die Republik Ungarn diesem Abkommen nicht beigetreten sei. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel richte sich vielmehr nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union unmittelbar nach Art. 58 i.V.m. Art. 57 Abs. 2 der Verordnung (EG) vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO).
Das in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsmittel sei nur teilweise begründet. § 12 AVAG bestimme, dass der Verpflichtete mit der Beschwerde auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen könne, als die Gründe, auf denen sie beruhten, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden seien.
Die Anwendbarkeit des § 12 AVAG werde für Vollstreckbarerklärungen aufgrund des Art. 38 EuGVO allerdings in der Literatur mit dem Argument verneint, § 12 AVAG werde durch Art. 45 EuGVO verdrängt.
Die Gegenmeinung hingegen gehe davon aus, dass die Behandlung nachträglich entstandener materiell-rechtlicher Einwendungen gegen einen Titel in der EuGVO nicht geregelt sei, es also dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibe, eigenständig zu regeln, wie diese Lücke zu füllen sei. Dabei werde teilweise angenommen, dass es der Beschleunigungseffekt, dem Art. 45 EuGVO diene, erfordere, § 12 AVAG gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass materiell-rechtliche Einwendungen zuzulassen seien, wenn sie unbestritten oder rechtskräftig festgestellt seien. Nur andere Einwendungen müsse der Antragsgegner mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.
Das OLG schloss sich der insoweit von Zöller/Geimer und vom OLG Düsseldorf vertretenen Auffassung an, wonach einerseits der Beschleunigungseffekt gebiete, § 12 AVAG gemeinschaftskonform auf liquide Einwendungen zu beschränken, andererseits der Schutzzweck zu Art. 45 EuGVO es nicht erfordere, den Schuldner mit solchen Einwendungen auszuschließen, über die ohne zeitliche Verzögerung befunden werden könne.
Die Antragstellerin habe mit der PKH-Erklärung vom 13.2.2006 vorgetragen, der Antragsgegner zahle seit Mai 2005 keinen Unterhalt mehr. Im Umkehrschluss gehe aus dieser Aussage hervor, dass er die den Kindern versprochenen Unterhaltsrenten bis einschließlich April 2005 bedient habe. Angesichts dieser unstreitigen Erfüllung sei die Zwangsvollstreckung aus der gerichtlich genehmigten Scheidungsvereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts für die Zeit ab 1.5.2005 zu beschränken.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 14.07.2006, 21 U 984/06