Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarkeit einer nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union gerichtlich genehmigten Scheidungsvereinbarung bezüglich des Kindesunterhalts
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vollstreckbarkeit einer nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union gerichtlich genehmigten Scheidungsvereinbarung bezüglich des Unterhalts ehegemeinsamer minderjähriger Kinder.
2. Im Beschwerdeverfahren nach erteilter Vollstreckungsklausel ist der Schuldner auf liquide Einwendungen beschränkt.
Normenkette
EuGVO Art. 38, 43, 45; AVAG § 12
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 24.03.2006; Aktenzeichen 6 O 0277/06) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Dresden vom 24.3.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Vollstreckung aus der vom Stadtgericht Hodmezöväsärhely am 3.11.2004 genehmigten Scheidungsvereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts erst für die Zeit ab 1.5.2005 zulässig ist.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Beschwerdewert: 3.600 EUR
IV.1. Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt.
2. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 27.6.2006 derzeit ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt B.S., ..., zu den Bedingungen eines in Dresden ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
I. Mit vom Stadtgericht Hodmezöväsärhely am 3.11.2004 genehmigter Scheidungsvereinbarung verpflichtete sich der Antragsgegner seinen Kindern J., geboren am ...1995, und H., geboren am ...1999, ab Oktober 2004 Unterhaltsrenten von monatlich je 150 EUR zu bezahlen. Ab Mai 2005 erfolgten keine Zahlungen mehr. Mit Beschluss vom 24.3.2006 stellte das LG Dresden antragsgemäß den Inhalt des zu vollstreckenden Titels fest und ordnete an, dass der Titel mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Gegen diese ihm am 20.4.2006 zugestellte EntScheidung legte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 2.5.2006, beim OLG Dresden eingegangen am 15.5.2006, Beschwerde ein mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus der gerichtlichen Vereinbarung für unzulässig zu erklären: Bei Abschluss der Vereinbarung habe er als Fachinformatiker monatlich 1.440 EUR brutto verdient. Zum 1.6.2005 sei ihm betriebsbedingtg ekündigt worden. Er beziehe lediglich 751,80 EUR Arbeitslosengeld und sei deshalb leistungsunfähig.
Die Antragstellerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen: Der Antragsgegner möge seine Einwendungen gegen die Ansprüche der Kinder vor dem Stadtgericht Hodmezöväsärhely vorbringen.
II. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel für die am 3.11.2004 genehmigte (Scheidungs)Vereinbarung in Bezug auf den den Unterhalt der Kinder J. und H. richtet sich weder nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 16.4.1958 (HUÜ 1958, BGBl. II, 1961, 1005) und dem dazu ergangenen Ausführungsgesetz vom 18.7.1961 da dieses an sich durch den EG-Beitritt Ungarns unberührte (vgl. Gottwald in Anmerkung zu der Entscheidung des OLG Dresden v. 9.11.2005 - 21 UF 670/05, FamRZ 2006, 563) Übereinkommen nur für gerichtliche Entscheidungen, nicht aber für Vergleiche u.a. gilt (vgl. MK/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Anm. 2 zu Art. 11 zu HUÜ 19 58), noch nach dem vom LG herangezogenen Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUÜ 1973, BGBl. II 1986, 826), dort Art. 21, da die Republik Ungarn diesem Abkommen nicht beigetreten ist (vgl. MK/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Anm. 2 zu Art. 11, Vorb. zu HUÜ 1973) sondern, weil nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union (am 1.5.2004) ergangen, unmittelbar nach Art. 58 i.V.m. Art. 57 Abs. 2 der Verordnung (EG) vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO).
Nach Art. 41 Satz 2 EuGVO ergeht die erstinstanzliche Entscheidung ohne rechtliches Gehör des Schuldners. Diesem steht binnen Monatsfrist (Art. 43 Abs. 5 Satz 1 EuGVO) die Beschwerde zum OLG (Art. 43 Abs. 2 EuGVO) zu. Im Übrigen gilt das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz in der Fassung vom 19.2.2001 (BGBl. I, 2001, 288 [436]).
III. Das in förmlicher Hinsicht (§ 1 1 AVAG) nicht zu beanstandende Rechtsmittel ist nur teilweise begründet.
1. § 12 AVAG bestimmt, dass der Verpflichtete mit der Beschwerde auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen kann, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind.
Die Anwendbarkeit des § 12 AVAG wird für Vollstreckbarerklärungen aufgrund des Art. 38 EuGVO allerdings in der Literatur mit dem Argument verneint, § 12 AVAG werde durch Art. 4 5 EuGVO verdrängt, weil hierin ausdrücklich bestimmt sei, dass auf einen Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVO die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 EuGVO aufgeführten Grü...