Leitsatz
Die Mutter eines minderjährigen Kindes - beide Eltern waren polnische Staatsangehörige - war durch Beschluss des FamG verpflichtet worden, das Kind nach Polen zurückzuführen. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, stellte sich die Frage, wie die Verpflichtung der Mutter im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden kann.
Sachverhalt
Die Eltern eines im August 2002 geborenen Kindes waren polnische Staatsangehörige und nicht miteinander verheiratet. Nach Art. 93 § 1 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches wurde die elterliche Gewalt von beiden ausgeübt. Zwar ist nach Art. 97 § 1 dieses Gesetzes jeder Elternteil einzeln zur Ausübung der elterlichen Gewalt berechtigt und verpflichtet, jedoch haben die Eltern nach Art. 97 § 2 dieses Gesetzes wesentliche Angelegenheiten des Kindes gemeinsam zu entscheiden. Hierzu gehört auch die Entscheidung über dessen gewöhnlichen Aufenthalt.
Das Kind verblieb nach der Trennung seiner Eltern und dem Auszug des Vaters aus der gemeinsamen Wohnung Mitte 2003 bei der Mutter, die im März 2006 ihre dortige Wohnung verkauft und sich im Juni 2006 in Polen bei einem Onkel angemeldet hat, ohne dort einen tatsächlichen Wohnsitz zu begründen. Seit März 2006 war die Mutter polizeilich in Deutschland gemeldet. Sie heiratete dort am 9.9.2006 ihren neuen Partner, zu dem sie Ende September mit dem Kind umsiedelte. Hiervon erfuhr der Kindesvater im März 2007.
Das AG hat mit Beschluss vom 14.12.2007 die unverzügliche Rückführung des Kindes nach Polen angeordnet. Die hiergegen von der Mutter eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das OLG erließ am 28.3.2008 einen Beschluss, wonach die Mutter verpflichtet war, das Kind unverzüglich nach Polen zurückzuführen. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus diesem Beschluss wurde die Auferlegung von Ordnungsgeld - ersatzweise Ordnungshaft - angedroht.
Nachdem das Kind von dem Vater Mitte Mai 2008 bei dem Onkel der Kindesmutter in Polen nicht angetroffen wurde, beantragte er die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 28.3.2008. Die Mutter trug hierzu vor, sie sei am 13.4.2008 mit dem Kind nach Polen zurückgekehrt, habe am 14.4.2008 einen Antrag in Polen auf Neuregelung des Umgangsrechts gestellt, sei dann aber gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Kind Mitte Mai zu einem Besuch nach Deutschland gefahren. Sie sei dann mit dem Kind nach Polen zurückgekehrt und habe in der Zeit vom 9. bis zum 19.6.2008 Behördentermine in Polen wahrgenommen, um dann am 21.6.2008 wieder nach Deutschland zurückzukehren. In der Zeit von Juni 2008 bis Mitte Juli 2008 habe das Kind den Kindergarten in Deutschland besucht. In dieser Zeit seien auch die Einschulungstests für das Kind durchgeführt worden. Dies habe sie in der Hoffnung getan, dass das polnische Familiengericht ihrem Sohn die Ausreise nach Deutschland erlauben würde.
Entscheidung
Das OLG hat gegen die Mutter wegen Nichterfüllung der Rückführungsverpflichtung ein Ordnungsgeld i.H.v. 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, 10 Tage Ordnungshaft festgesetzt. Die im Wege der Vollstreckung durchzusetzende Verpflichtung der Mutter, das Kind nach Polen zurückzuführen, beruhe auf dem rechtskräftigen und ohne Vollstreckungsklausel vollstreckbaren Beschluss vom 28.3.2008, dessen Anordnungen die Mutter zuwidergehandelt habe, indem sie schuldhaft und nicht unverzüglich das Kind nach Polen zurückgeführt habe.
In seiner Begründung wies das OLG darauf hin, dass die Rückführung eines Kindes nicht gleichbedeutend sei mit der Rückgabe des Kindes an den die Rückführung beantragenden Antragsteller, weil die Intentionen des HKÜ in erster Linie darauf gerichtet seien, mit der Rückführung des Kindes die ursprünglich bestehende rechtliche Stellung aller Beteiligten wiederherzustellen. Das Kind sei deshalb der Rechtsprechungsgewalt des gewöhnlichen Aufenthaltsortes wieder zuzuführen. Die Verpflichtung zur Rückführung eines Kindes sei nach den Intentionen des HKÜ nur dann erfüllt, wenn das Kind sich auf Dauer wieder in dem Vertragsstaat aufhalte, aus dem es entführt worden sei. Lediglich eine kurzfristige Rückkehr des Kindes in den Heimatstaat widerspreche den aus Art. 3 Abs. 1 HKÜ abgeleiteten Zielen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes sei nach der Rückführungsentscheidung wieder in dem Heimatstaat des Kindes zu begründen gewesen. Dieser Verpflichtung sei die Mutter insbesondere durch den Kindergartenbesuch des Kindes in Deutschland nicht nachgekommen. Der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Kindes sei nicht in Polen begründet worden. Es sei deshalb ein Ordnungsmittel zu verhängen gewesen, dessen Festsetzung die Mutter in schuldhafter Weise zu vertreten habe, da sie einen dauernden Aufenthalt des Kindes in Polen gar nicht gewollt habe.
Hinweis
Die Vollstreckung eines nach dem HKÜ ergangenen Beschlusses richtet sich nach dem IntFamRVG. Bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Rückführungsentscheidung ist - von Amts wegen - das OLG für die Vo...