1 Leitsatz
Eine Teilanfechtung der Beschlüsse über die Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 Satz 1 WEG) bzw. die Anpassung der Vorschüsse oder die Einforderung von Nachschüssen (§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG) ist nicht möglich.
2 Normenkette
§§ 28, 44, 45 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen die Nachschüsse/Anpassung der Vorschüsse 2021. Außerdem "genehmigen" sie den Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan 2022. Wohnungseigentümer K greift die Beschlüsse nur hinsichtlich einzelner Positionen an, in denen ein Flächenmaßstab statt der Größe der Miteigentumsanteile angesetzt wurden, was er für falsch hält. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beruft sich auf einen Beschluss aus dem Jahr 2011. Das AG weist die Klage ab. Mit der Berufung verfolgt K seine Klage weiter. Er begehrt nun, die vollständige Ungültigerklärung der Beschlüsse.
4 Die Entscheidung
Das LG ist der Ansicht, der Beschluss aus dem Jahr 2011 habe die in der Wohnungseigentumsanlage geltenden Umlageschlüssel nicht geändert. Bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses handele es sich lediglich um die Vorbereitung einer späteren, aber nicht vollzogenen Änderung der Umlageschlüssel. Der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG sei vollständig für ungültig zu erklären, wie dies dem Antrag des K in 2. Instanz entspreche. Dass K den Beschluss zunächst nur teilweise angefochten habe, stehe dem nicht entgegen. Insbesondere sei die Anfechtungsfrist (§ 45 WEG) gewahrt. Wie der BGH entschieden habe, sei bei einer unzulässigen Teilanfechtung eine Auslegung des Klageantrags nötig. Im Zweifel werde diese – ausgehend von dem tatsächlichen Willen der Partei – dazu führen, dass der Beschluss insgesamt angefochten werden solle, da nur dieses dem Rechtsschutzziel entspreche. Dies habe das AG beachtet und die Anfechtungen entsprechend ausgelegt. Die vom AG vorgenommene Auslegung sei auch erforderlich gewesen, weil nur eine Gesamtanfechtung möglich sei und zu dem von dem K gewünschten Rechtsschutzziel führe. Durch § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass Gegenstand der Beschlussfassung nur noch die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse bzw. die Nachschüsse seien. Nur ein derartiges Verständnis vermeide Friktionen, die sich ergäben, wenn man weiterhin eine Teilanfechtung zuließe: Dann wäre unklar, welcher Teil des Beschlusses in Bestandskraft erwüchse. Für den Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG gelte nichts Anderes.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall will wird gefragt, ob ein Wohnungseigentümer die Vorschüsse und Nachschüsse nur teilweise anfechten kann.
Gemeinschaftsordnung
Es ist umstritten, ob man die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG teilweise anfechten kann. Das LG stellt sich an die Seite der wohl herrschenden Meinung. Ich stehe für die Gegenansicht. Die herrschende Meinung macht das Kostenrisiko für den Anfechtungskläger unerträglich.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, dass die Gerichte derzeit die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG insgesamt für ungültig erklären, wenn sie irgendwo im Zahlenwerk einen einzigen Fehler finden. Die WEG-Reform hat insofern die Situation wohl verschlechtert. Die Verwaltungen müssen mithin noch sorgfältiger als bislang arbeiten.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 7.12.2023, 2-13 S 27/23