Leitsatz

Der Risikoausschluss in § 4 Nr. 6b AHB greift nur ein, wenn der beschädigte Grundstücks- bzw. Gebäudebestandteil der Auftragsgegenstand gewesen ist; eine Benutzung im Rahmen der Auftragsarbeit, z. B. Materialablagefläche, genügt nicht (Aufgabe von BGH vom 25.09.1961 - II ZR 121/59 - VerR 1961, 974).

 

Normenkette

§ 4 I Nr. 6 b Halbs. 2 AHB

 

Sachverhalt

Der Kl. - Inhaber eines Garten- und Landschaftsbaubetriebes - hatte den Auftrag erhalten, Pflanzenkübel und -tröge eines Parkhauses zu bepflanzen. Zu diesem Zweck ließ er etwa 56 m³ Erde auf dem oberen Parkdeck abladen. Dieses zeigte sich dem Gewicht nicht gewachsen; noch während des Entladens entstanden Verformungen einzelner Stahlträger und gravierende Risse in den Betondeckenplatten.

Die Bekl., bei der der Kl. eine Betriebshaftpflichtversicherung unterhielt, lehnte Deckungsschutz unter Berufung auf die Risikoausschlussklausel des § 4 I Nr. 7b der zugrunde liegenden AVB der Bekl. ab. Diese Klausel, die wortgleich mit § 4 I Nr. 6b AHB (VerBAV 1986, 216) war, besagt, dass der Versicherungsschutz sich nicht bezieht auf

Haftpflichtansprüche wegen Schäden …

b)die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des VN an oder mit diesen Sachen (z. B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) entstanden sind; bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit gewesen sind.

Das LG gab der Klage statt. Das Berufungsgericht (BG) hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte Erfolg

 

Entscheidung

I.Das BG - so der BGH - habe den Risikoausschluss mit folgender Begründung bejaht: Das beschädigte Parkdeck sei im Sinne des zweiten Halbsatzes der Klausel unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des Kl. und damit so genanntes Ausschlussobjekt gewesen. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die Tätigkeit an der beschädigten Sache der Endzweck der unternehmerischen Leistung des VN gewesen sei. Vielmehr genüge es, dass der VN die Tätigkeit an der beschädigten Sache bewusst oder gewollt vorgenommen habe, auch wenn dies nur als Mittel zu einem Zweck geschehen sei, der eine andere Sache zum Gegenstand gehabt habe. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Der Kl. habe zwar nicht das Parkdeck bearbeiten, sondern sich nur mit den Pflanzenkübeln und -trögen beschäftigen sollen; er habe aber das Parkdeck als Zwischenlage für die Erde benutzt und damit diese unbewegliche Sache durch unmittelbare Einwirkung in die Durchführung seines Auftrags einbezogen …

II.Dieser Auslagerung der Ausschlussklausel durch das BG vermöge der Senat nicht zu folgen. Der ihr zugrunde liegende weite Begriff des unmittelbaren Gegenstands der Tätigkeit, der die Benutzung eines Grundstücksbestandteils nur als Materialfläche einschließe, entspreche nicht dem Verständnis des durchschnittlichen VN. Der beschädigte Grundstücksbestandteil müsse vielmehr Auftragsgegenstand gewesen sein.

1.In der Literatur werde zwar der Sinnzusammenhang der beiden Halbsätze der Ausschlussklausel so verstanden, dass bei unbeweglichen Sachen nicht anders als bei beweglichen gemäß dem ersten Halbsatz der Ausschluss eingreife, wenn der VN "an", aber auch "mit" der beweglichen Sache oder ihrem Bestandteil tätig geworden sei, und dass die Beschränkung des Ausschlusstatbestands im zweiten Halbsatz bzw. die sich daraus ergebende Vergünstigung für den VN allein darin bestehe, dass im Gegensatz zu beweglichen Sachen, bei denen der Ausschluss die Sache ganz erfasse, bei unbeweglichen Sachen der Ausschluss auf Schäden an den unmittelbar bearbeiteten Teilen der Sache beschränkt sei.

Auch der BGH habe in einem Fall, in dem der VN Stahlfensterrahmen in einen Neubau einbauen sollte, diese auf dem Flachdach abgesetzt und dabei die empfindliche Dachhaut beschädigt hatte, den Risikoausschluss des § 4 I Nr. 6b AHB eingreifen lassen (BGH, Urteil v. 25.9.1961, II ZR 121/59 - VersR 1961, 974). Er habe dabei die Ablage der Stahlfenster als Tätigkeit an oder mit der Sachfläche genügen lassen. Dieser von der Literatur und dem BGH seinerzeit angenommene Sinn des zweiten Halbsatzes erschließe sich jedoch dem durchschnittlichen VN nicht.

2.Was damit gemeint sei, dass der beschädigte Gegenstand "unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit" war, sei durch Auslegung zu ermitteln. Nach ständiger Rechsprechung seien AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeit eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an.

  1. Ein durchschnittlicher VN gehe zunächst vom Wortlaut der Klausel und dabei von dessen Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch aus. Unter einem Grundstücksbestandteil, der unmittelbar Gegenstand seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit ist, werde ein Betriebsinhaber das Objekt verstehen, das er, wie es im Beispielk...

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