Leitsatz
Der zur persönlichen Haftung des GmbH-Gesellschafters führende Haftungstatbestand des "existenzvernichtenden Eingriffs" bezieht sich nicht auf Managementfehler bei dem Betrieb des Gesellschaftsunternehmens. Voraussetzung ist vielmehr ein gezielter sachwidriger Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen.
Sachverhalt
K war als Handelsvertreter für die G-GmbH tätig, deren Geschäftsführer und mittelbarer Mehrheitsgesellschafter der Beklagte B war. B hielt 94 % der Anteile an der T-BV, die Alleingesellschafterin der T-GmbH war; diese wiederum hielt 53,44 % der Geschäftsanteile der G-GmbH. Sie hatte gegenüber ihren ausländischen Tochtergesellschaften bereits ab 1992 überfällige Forderungen von ca. 3,8 Mio. DM, die in der Folge noch zunahmen. Im April 1994 veräußerte die G-GmbH, vertreten durch B, ihren gesamten, bereits an die Hausbank zur Sicherung übereigneten Fertigwarenbestand für ca. 3,6 Mio. DM und im Juni 1994 ihre ebenfalls sicherungsübereigneten Rohmaterialien für ca. 1,6 Mio. DM – jeweils mit zweijährigem Zahlungsziel – an die H-GmbH, die den Kaufpreis nicht bezahlte. G- und H-GmbH fielen in der Folge in Konkurs. K verlangt von B rückständige Provisionszahlungen, die ihm die G-GmbH ab 1993 schuldete. Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Nach der Rechtsprechung haftet der Gesellschafter einer GmbH für die Gesellschaftsschulden unter dem Aspekt eines "existenzvernichtenden Eingriffs" persönlich, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft durch offene oder verdeckte Entnahmen ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Ein derartiger unerlaubter Eingriff des B in das Gesellschaftsvermögen liegt nach Meinung des Senats aber nicht darin, dass er im Jahr 1992 fällige Forderungen gegen die ausländischen Töchter der G-GmbH hatte anwachsen lassen, diesen also faktisch einen Kredit gewährt hat. Sein Handeln mag zwar nicht einem "kaufmännisch vernünftigen Wirtschaften" entsprochen haben und damit als unternehmerische Fehlleistung einzustufen sein. Der Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs bezieht sich aber nicht auf Managementfehler im Rahmen des Betriebs des Unternehmens im weitesten Sinne. Er setzt vielmehr den gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten voraus, welche die Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.
Praxishinweis
Der Gesellschafter kann den Gläubigern der GmbH auch dann wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs oder wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haften, wenn er der Gesellschaft Geschäftschancen und Ressourcen mit dem Ziel entzieht, sie auf eine andere von ihm beherrschte Gesellschaft zu verlagern. Die Veräußerung der Fertigprodukte und der Rohmaterialien im Jahr 1994 könnte einen solchen Schluss zulassen. Das OLG muss die Sache daher weiter aufklären.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 13.12.2004, II ZR 256/02