Leitsatz
- In der Regel liegt dann ein Nichtbeschluß vor, wenn die Wohnungseigentümer über einen Beschlußgegenstand abstimmen, bei der Abstimmung jedoch wissen, daß eine Mehrheit nicht ausreicht und die Versammlungsniederschrift keinen Zweifel an der Ablehnung des Antrags offenläßt.
- Der Feststellung des Verwalters in der Versammlung oder in der Versammlungsniederschrift, daß ein Beschluß oder ein Nichtbeschluß vorliegt, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
- Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Feststellung, ob ein Eigentümerbeschluß zustande gekommen ist und welchen Inhalt er hat, nur beschränkt auf Rechtsfehler nachprüfen, da diese Feststellung insoweit allein dem Tatrichter obliegt.
- Für die Prüfung, ob ein Eigentümerbeschluß zustande gekommen ist, müssen wie bei der Auslegung eines solchen Beschlusses objektive Maßstäbe herangezogen werden. Im Rahmen dessen können jedoch Begleitumstände berücksichtigt werden, die beispielsweise in der Versammlungsniederschrift zum Ausdruck kommen.
Sachverhalt
Der Teileigentümer eines Büros möchte dieses nunmehr als Wohnung nutzen und hierfür eine entsprechende änderung des Vertrags über die Einräumung von Sondereigentum herbeiführen. In der entsprechenden Anlage zur Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, daß es zu deren Abänderung einer ¾-Mehrheit bedürfe.
In einer Eigentümerversammlung wurde alsdann über den Beschlußgegenstand abgestimmt und einer Einräumung von Sondereigentum mit ¾-Mehrheit zugestimmt, gleichwohl im Protokoll festgehalten, daß der Antrag abgelehnt wurde, da die hierfür erforderliche Einstimmigkeit nicht erreicht worden sei - ein wirksamer Beschluß demnach gar nicht zustande gekommen sei. Der Wohnungseigentümer ist demgegenüber der Auffassung, ein wirksamer Beschluß sei sehr wohl gefaßt worden und einer Einstimmigkeit hätte es gar nicht bedurft, da ja bereits die Gemeinschaftsordnung mit ¾-Mehrheit geändert werden könnte.
Entscheidung
Die Richter hatten sich in diesem Verfahren nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob denn nun eine ¾-Mehrheit zur Nutzungsänderung der Büroräume in Wohnraum ausreichte oder nicht. Zu prüfen war allein, ob überhaupt ein anfechtbarer Beschluß zustande gekommen war. Zwar wurde über den entsprechenden Antrag des Teileigentümers mit ¾-Mehrheit abgestimmt, wäre aber allen Wohnungseigentümern von vornherein klar gewesen, daß Einstimmigkeit erforderlich gewesen wäre, so wäre ein anfechtbarer Beschluß nicht zustande gekommen.
Ob nun ein Beschluß vorliegt oder nicht, hängt in der Regel davon ab, ob mehr als die Hälfte der Abstimmenden für den Antrag gestimmt haben. Regelmäßig liegt dabei immer dann ein Nichtbeschluß vor, wenn die einfache Mehrheit nicht erreicht wird. Gleiches gilt an sich auch dann, wenn in Anbetracht des Beschlußgegenstandes eine qualifizierte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit erforderlich ist. Die Anfechtung setzt nun voraus, daß mindestens die Möglichkeit besteht, der Antrag sei, wenn auch nur von einzelnen Eigentümern, als angenommen angesehen. Kann andererseits für alle Beteiligten überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß der Antrag wegen Nichterreichens der erforderlichen Stimmenzahl abgelehnt wurde und ein Beschluß nicht zustande gekommen ist, bedarf es erst gar nicht der Anfechtung dieses Beschlusses.
Unterstellt man nun, für die Annahme des Antrags des Wohnungseigentümers sei ein einstimmiger Beschluß im Sinn der Allstimmigkeit - also der Zustimmung eines jeden Wohnungseigentümers der Wohneigentumsanlage - erforderlich gewesen, so bedarf es um so mehr sorgfältiger Prüfung, ob dies auch allen Wohnungseigentümern nach den Vorgaben des Versammlungsleiters klar gewesen ist. von seiten des Gerichts ist daher nach objektiven Maßstäben zu prüfen, ob ein Beschluß zustande gekommen war, wobei auch Begleitumstände herangezogen werden können, die in der Versammlungsniederschrift zum Ausdruck gekommen sind. Aus der Versammlungsniederschrift geht aber gerade nicht hervor, unter welchen Vorgaben der Versammlungsleiter den Abstimmungsvorgang veranstaltet hat. Hier war nur festgehalten, warum der Antrag abgelehnt worden war, es läßt sich aber nichts darüber entnehmen, ob sich die Wohnungseigentümer dieser Wertung angeschlossen oder diese abgelehnt hatten. Es kann insbesondere nicht automatisch von einem Nichtbeschluß ausgegangen werden nur weil die Wohnungseigentümer die Auffassung des Verwalters nicht in Zweifel zogen. Ungeachtet dessen, ist auch kein Wohnungseigentümer verpflichtet, der Auffassung des Verwalters sofort zu widersprechen. Jedenfalls kommt der Versammlungsniederschrift oder aber irgendwie gearteter Auffassungen des Verwalters für die Frage ob ein Beschluß oder aber ein Nichtbeschluß vorliegt, keine Konstitution Bedeutung zu.
Nach allem bleibt festzuhalten, daß in der Eigentümerversammlung tatsächlich ein wirksamer Beschluß gefaßt worden war. Ob dieser jedoch Bestand hat, ob also die erzielte ¾-Mehrheit zur Nutzungsänderung ausreichte, ist gegebenenfalls in einem anderen Verfahren zu klären.
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