Leitsatz
Ein Verfügungsgrund besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Allein der Umstand, dass bei Umsetzung eines Beschlusses im Falle seiner gerichtlichen Ungültigkeitserklärung Kosten für eine Folgenbeseitigung entstehen können, begründet keine derartige Besorgnis.
Normenkette
WEG § 23 Abs. 1; ZPO § 935
Das Problem
Wohnungseigentümer K beantragt, die Vollziehung eines Beschlusses über eine Erhaltungsmaßnahme im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen. Das Amtsgericht weigert sich, eine entsprechende einstweilige Verfügung zu erlassen. Dagegen führt K die Beschwerde.
Die Entscheidung
- Die sofortige Beschwerde hat der Sache nach keinen Erfolg. Das Amtsgericht habe den Antrag zu Recht zurückgewiesen. Es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund.
- Ein Verfügungsgrund bestehe in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine solche Besorgnis sei nicht gegeben.
- Allein der Umstand, dass bei Umsetzung eines Beschlusses im Falle seiner gerichtlichen Ungültigkeitserklärung zusätzliche Kosten, namentlich solche aufgrund eines erforderlich werdenden Rückbaus, entstehen könnten, begründe keine derartige Besorgnis. Sehe das Gesetz die Durchführung von angefochtenen Beschlüssen während der Schwebezeit gerade vor, so kalkuliere es die Entstehung derartiger Kosten mit ein.
- Ein Verfügungsgrund komme somit nur dann in Betracht, wenn im Falle einer Umsetzung irreparable, zumindest aber unverhältnismäßig hohe Schäden drohten oder wenn der Beschluss offensichtlich keinen Bestand haben könne. Beides sei nicht der Fall. Bei den in Rede stehenden Arbeiten sei der Eingriff in die Gebäudesubstanz überschaubar. Es seien lediglich oberflächliche Bohrungen für die Halterungen der Heizstrahler sowie jeweils eine vollständige Durchbuchung des Außenmauerwerks für das Elektrokabel erforderlich. Derartige Arbeiten seien aus handwerklicher Sicht nicht außergewöhnlich und regelmäßig ohne Probleme, insbesondere ohne größere Risiken für die Bausubstanz durchführbar.
Kommentar
Verfügungsgrund ist – wie vom Landgericht ausgeführt – die Gefahr, dass nach objektiver Beurteilung eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Menschen zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechtes einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder dass die Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint, oder eine vorläufige Befriedigung des Antragstellers angemessen erscheint, um eine Notlage oder schwere Nachteile abzuwenden. Ein Verfügungsgrund entfällt, wenn der Antragsteller die beanstandete Verhaltensweise oder Zustände zu lange erträgt.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Die Vollziehung eines Beschlusses – etwa für die Zeit eines schwebenden Anfechtungsverfahrens – kann ausgesetzt werden, wenn dem Anfechtenden bei Abwägung der widerstreitenden Belange unter Würdigung des prinzipiellen Vorrangs der gesetzlichen Wirksamkeitsanordnung ein Abwarten einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist. Es muss also glaubhaft gemacht sein, dass im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen des anfechtenden Wohnungseigentümers die Interessen der anderen Wohnungseigentümer überwiegen. Denn dem aus § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG abzuleitenden "Vollziehungsinteresse" kommt grundsätzlich ein größeres Gewicht zu als dem Aussetzungsinteresse.
Link zur Entscheidung
LG Itzehoe, Beschluss vom 11.04.2017, 11 T 20/17