Rz. 20

Für den Rechtsanwalt steht stets die Beratung in Bezug auf die Erbenhaftung im Mittelpunkt seiner Tätigkeit bei der Beratung des Erben. Betroffen sind vor allem diejenigen Fälle, in denen es um unternehmensrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Fragen geht. Die Beratung hat hier bei dem potenziellen Erben einzusetzen und Lösungsmöglichkeiten schon für die Lebzeiten zu treffen. Aber auch bei Erbfällen, in denen keine gesellschafts- oder unternehmensrechtliche Probleme auftreten, kann nur eine sehr sorgfältige Beratung des Mandanten diesen vor unliebsamen Haftungsfolgen bewahren. Insbesondere gilt das bei der Entstehung von Nachlasserbschulden (§ 1978 BGB), bei der Abwicklung des Nachlasses (Wegfall der Beschränkungseinreden aus § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB nach der Teilung), bei der Erfüllung von Obliegenheiten des Inventarrechts (§§ 1994, 2005 BGB) und bei der Insolvenzantragspflicht nach § 1980 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 21

In allen Fällen gilt es, den möglichen Eintritt einer Schadensersatzverpflichtung oder der unbeschränkten Haftung zu vermeiden. Dies trifft besonders im Falle der gerichtlichen Inanspruchnahme des Erben wegen Nachlassverbindlichkeiten zu. Die Bestimmung des § 780 ZPO verlangt hier, von Ausnahmefällen in dessen Abs. 2 abgesehen, vom anwaltlichen Berater des beklagten Erben die Stellung des Antrags auf Aufnahme des Haftungsbeschränkungsvorbehalts, um den Eintritt der unbeschränkten Haftung zu vermeiden. Die Nichtbeachtung z.B. dieser einfachen Regel, die verschiedene Beschränkungsvorbehalte erfasst, führt nicht nur zu einer unbeschränkten Haftung des Erben, sondern kann auch zur Haftung des anwaltlichen Beraters führen. In einer Art Checkliste wird hier vorgeschlagenen, wie der Anwalt vorgehen soll. Dabei wird sogleich darauf hingewiesen, dass solcherlei Checklisten nicht vollständig sein können und jeder Fall besonderer Überlegungen bedarf.

 

Rz. 22

Checkliste

I. Prüfung der Voraussetzungen der Haftung als Erbe

Ist der Mandant als Erbe berufen? (Alleinerbe, Vorerbe, Nach- oder Miterbe)
Ist die Erbschaft angenommen? (§ 1958 BGB)
Wann ist der Erblasser verstorben?
Wurde ein Testament eröffnet?
Ist die Annahme der Erbschaft ausdrücklich erklärt?
Kann eine Annahme der Erbschaft angefochten werden?
Liegt eine Nachlassverbindlichkeit vor? (Handelt es sich dabei um eine Erblasserschuld, Erbfallschuld oder eine Nachlassverwaltungsschuld?)

II. Besonderheiten vor der Annahme der Erbschaft

Vor der Annahme der Erbschaft sind insbesondere zu beachten:

§ 1958 BGB als Schutzvorschrift des vorläufigen Erben;
Möglichkeit der Pflegerbestellung durch das Nachlassgericht in Eilfällen (§ 1961 BGB);
Möglichkeiten des Vorgehens gegen den verwaltenden Testamentsvollstrecker nach § 2213 Abs. 2 BGB;
Möglichkeit der Stellung eines Insolvenzantrags (§ 316 InsO).

III. Verteidigungsmöglichkeiten des in Anspruch genommenen Erben

Der Erbe hat zahlreiche Möglichkeiten, seine Haftung zu beschränken. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Vorläufige Haftungsbeschränkung

Dreimonatseinrede gem. § 2014 BGB (Achtung: Vorbehalt nach § 780 ZPO erforderlich);
Aufgebotseinrede gem. § 2015 BGB bis ein Jahr nach Annahme der Erbschaft (Achtung: Vorbehalt nach § 780 ZPO erforderlich);
Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts aus§ 2059 Abs. 1 BGB bis zur Teilung des Nachlasses bei Miterben (Achtung: Vorbehalt nach § 780 ZPO erforderlich).

Unter bestimmten Umständen kann der Nachlassgläubiger auch gegen den Testamentsvollstrecker vorgehen (§ 2213 BGB). Stets kann daran gedacht werden, zur Klärung der Nachlassverhältnisse das Aufgebotsverfahren einzuleiten bzw. eine Inventarerrichtung zu fordern.

2. Endgültige Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern

Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB);
Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§§ 1975, 1980 BGB);
Nachweis der Dürftigkeit des Nachlasses (§§ 1990, 1991 BGB).

3. Endgültige Haftungsbeschränkung gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

Verschweigung (§ 1974 BGB; beachte: Frist von fünf Jahren Nacherbfall);
Ausschluss im Aufgebotsverfahren (§ 1973 BGB);
Überschuldungseinrede (§ 1990 BGB; nur gegenüber Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten);
Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung mit einem einzelnen oder mehreren einzelnen Gläubigern.

4. Beschränkung des Umfangs der Haftung

Beschränkung auf die dem Erbteil entsprechenden Teilschuld nach § 2060 Nr. 1–3 BGB u. § 2061 BGB.

5. Beschränkung der Haftung durch Berufung auf die kraft Gesetzes gegenständlich beschränkte Haftung

bei Minderjährigen (§ 1629a BGB; Vorbehalt nach § 780 ZPO erforderlich);
Haftung mit dem Wert des Nachlasses nach § 102 SGB XII u. § 1836e BGB, kein Vorbehalt nach § 780 ZPO erforderlich.

IV. Geltendmachung von Ansprüchen und ihre Durchsetzung nach Annahme der Erbschaft

Im Falle der Annahme der Erbschaft ist die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ohne Einschränkung möglich bis der Erbe, sofern es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt, Maßnahmen zur Haftungsbes...

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