Vorbemerkung zu §§ 20, 21 / II. Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht an ein zuvor befasstes vorinstanzliches Gericht (Vertikalverweisung)

1. Grundsatz

Rz. 17

Verweist ein Rechtsmittelgericht die Sache an ein vorinstanzliches Gericht zurück, das im Instanzenzug bereits mit der Sache befasst war, gilt grundsätzlich § 21 Abs. 1: Das Verfahren vor dem annehmenden Gericht ist gegenüber dem Ausgangsverfahren eine neue Angelegenheit – die Gebühren entstehen erneut. Das Verfahren nach Zurückverweisung ist dann das "weitere Verfahren" i.S.d. § 21 Abs. 1. Zu beachten ist allerdings die Anrechnungsbestimmung der VV Vorb. 3 Abs. 6. In Verfahren nach VV Teil 3 ist die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Verfahrens nach Zurückverweisung anzurechnen. Lediglich im Falle des § 15 Abs. 5 S. 2 ist eine Anrechnung ausgeschlossen (siehe dazu § 21 Rdn 8, § 15 Rdn 291 ff.). Das Rechtsmittelverfahren ist daneben immer eine weitere Angelegenheit (§ 17 Nr. 1).

Rz. 18

Erforderlich ist eine "echte" Zurückverweisung. Das vorinstanzliche Gericht muss also aufgrund einer abändernden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts gezwungen sein, sich mit der Sache erneut zu befassen. Daher liegt keine Zurückverweisung i.S.d. § 21 vor, wenn das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung bestätigt und die Sache dann zur Fortsetzung des weiteren dort noch anhängigen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgibt, etwa bei Bestätigung eines Grund- oder Teil- oder Vorbehaltsurteils (siehe hierzu im Einzelnen § 21 Rdn 22).

Unter § 21 Abs. 1 fallen u.a. folgende Zurückverweisungen:

Rz. 19

Berufungsgericht an Erstgericht:

▪	OLG verweist zurück an LG
▪	der Familiensenat am OLG verweist in einem ZPO-Verfahren (altes Recht) zurück an das FamG
▪	LG (Berufungskammer) verweist zurück an AG
▪	BVerwG verweist zurück an OVG/VGH
▪	OVG/VGH verweist zurück an VG
▪	LAG verweist zurück an ArbG
▪	LSG verweist zurück an SG etc.

Rz. 20

Revisionsgericht an Berufungsgericht:

▪	BGH verweist zurück an OLG
▪	OLG verweist zurück an LG
▪	BVerwG verweist zurück an OVG/VGH
▪	BAG verweist zurück an LAG
▪	BSG verweist zurück an LSG etc.

Rz. 21

Revisionsgericht an Erstgericht:

▪	der Strafsenat am BGH verweist zurück an die große Strafkammer am LG
▪	BFH verweist zurück an FG etc.

Rz. 22

Beschwerdegericht an Erstgericht:

▪	der Beschwerdesenat am OLG verweist zurück an das LG
▪	der Familiensenat am OLG verweist eine Beschwerde nach § 146 FamFG (vormals § 629b ZPO) zurück an das FamG
▪	die Beschwerdekammer am LG verweist zurück an AG
▪	der Bußgeldsenat am OLG verweist zurück an die OWi-Abteilung beim AG
▪	der Beschwerdesenat am OVG verweist zurück an das VG etc.

Rz. 23

Gericht der weiteren Beschwerde an Beschwerdegericht:

▪	das OLG als Gericht der weiteren Beschwerde (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 GKG) hebt in einem Streitwertfestsetzungsverfahren die Beschwerdeentscheidung des LG auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde an das LG zurück (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 4 GKG)
▪	der Beschwerdesenat des OLG verweist in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit a.F. nach weiterer Beschwerde die Sache an die Beschwerde-Kammer beim LG etc.

Rz. 24

Die Sache muss nicht unmittelbar an das vorinstanzliche Gericht verwiesen worden sein; auch eine Sprungverweisung an das Erstgericht fällt unter § 21 Abs. 1, etwa in folgenden Fällen:

Rz. 25

Revisionsgericht an Erstgericht, wobei das Berufungsgericht übergangen wird:

▪	BGH verweist nach § 566 Abs. 5 ZPO an die erstinstanzliche Kammer am LG zurück
▪	der Familiensenat am BGH verweist in einem ZPO Verfahren (altes Recht) zurück an das FamG
▪	BVerwG verweist nach §§ 141 S. 1, 130 Abs. 2 VwGO zurück an das VG
▪	BAG verweist nach § 72 ArbGG i.V.m. § 566 Abs. 5 ZPO zurück an das ArbG
▪	BSG verweist nach §§ 165 S. 1, 159 SGG zurück an SG etc.

Rz. 26

Gericht der Rechtsbeschwerde^[9] an Erstgericht:

▪	der Familiensenat am BGH verweist auf die Rechtsbeschwerde nach gemäß § 74 Abs. 6 S. 2 FamFG (§§ 629 Abs. 2, 621a Abs. 2 ZPO a.F.) zurück an das FamG
▪	der Landwirtschafts-Senat am OLG verweist zurück an die Landwirtschafts-Abteilung am AG etc.

[9] Das gilt in Altfällen entsprechend für das Gericht der weiteren Beschwerde.

2. Ausnahme Aufhebung und Zurückverweisung in Ehesache (§ 21 Abs. 2)

Rz. 27

Eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 21 Abs. 1 gilt im Falle des § 21 Abs. 2, wenn das Beschwerdegericht in einer Ehesache nach § 146 FamG den erstinstanzlich abgewiesenen Scheidungsantrag für begründet erachtet und die Sache an das FamG zurückverweist. Dann sind Ausgangsverfahren und Verfahren nach Zurückverweisung eine Angelegenheit (siehe Anhang I Rdn 165 ff.).