Rz. 12
Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung dieses Erwerbs unterscheidet das ErbStG danach, ob die Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder aufgrund eines anderen Ereignisses (§ 6 Abs. 3 ErbStG) eintritt.
aa) Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben
Rz. 13
Bildet der Tod des Vorerben den Nacherbfall, hat der Nacherbe gem. § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Für die Steuerklasse, den persönlichen Freibetrag etc. ist somit das Angehörigkeitsverhältnis des Nacherben zum Vorerben maßgeblich. Die zivilrechtliche Wertung des § 2100 BGB bleibt jedoch insoweit nicht unbeachtet, als nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG der Versteuerung auf Antrag das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen ist. Steuerklasse (§ 15 ErbStG), sachliche Steuerbefreiungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), persönlicher Freibetrag (§ 16 ErbStG), Steuersatz (§ 19 ErbStG) und eine etwaige Ermäßigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG) bestimmen sich dann nach dem Angehörigkeitsverhältnis des Nacherben zum Erblasser. Der Antrag ist nur zulässig (und auch nur dann sinnvoll), wenn der Nacherbe in einem engeren Angehörigkeitsverhältnis zum Erblasser steht als zum Vorerben.
Rz. 14
Geht auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, sind die beiden Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln, § 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG. Für das eigene Vermögen des Vorerben kann nach § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG ein Freibetrag jedoch nur gewährt werden, soweit der Freibetrag über das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist. Der nicht verbrauchte Freibetrag für das Nacherbschaftsvermögen kann nach Auffassung des BFH nicht in vollem Umfang bei dem eigenen Vermögen des Vorerben, sondern nur i.H.d. für den Erwerb vom Vorerben maßgeblichen Freibetrags in Abzug gebracht werden. Nach BFH gibt § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG keinen Anhalt dafür, bei der Berechnung der auf das eigene Vermögen des Vorerben entfallenden Steuer einen höheren Freibetrag zu berücksichtigen als im Verhältnis zwischen Erwerber und Vorerben nach § 16 ErbStG vorgesehen ist. Der Steuersatz richtet sich jedoch gem. § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG auch bei mehreren Erwerben jeweils nach dem gesamten Erwerb, selbst wenn die Erwerbe aufgrund eines Antrags des Nacherben nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG in unterschiedliche Steuerklassen einzuordnen sind. Es gilt somit ein der Regelung des § 32b EStG vergleichbarer Progressionsvorbehalt.
bb) Eintritt der Nacherbfolge aufgrund eines anderen Ereignisses
Rz. 15
Tritt die Nacherbfolge schon zu Lebzeiten des Vorerben durch ein anderes Ereignis, bspw. durch die Wiederverheiratung des Vorerben, ein, kann auch das Steuerrecht den Erwerb des Nacherben nicht als vom Vorerben stammend ansehen. Gem. § 6 Abs. 3 S. 1 ErbStG gilt in diesem Fall die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Erwerb vom Erblasser. Folgerichtig kommt auch ein dem § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG vergleichbares Wahlrecht des Nacherben, nach welchem Verwandtschaftsverhältnis – dem zum Erblasser oder dem zum Vorerben – sich die Besteuerung bestimmen soll, nicht in Betracht. Abweichend von § 5 Abs. 2 BewG führt der Bedingungseintritt jedoch nicht zur Berichtigung der Besteuerung des Vorerben. Vielmehr wird die vom Vorerben entrichtete Steuer dem Nacherben (der die Steuer nach § 20 Abs. 4 ErbStG im wirtschaftlichen Ergebnis ohnehin trägt) abzüglich desjenigen Steuerbetrages, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht, angerechnet, § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG. Die gegen den Vorerben festgesetzte Steuer wird demnach insoweit rückgängig gemacht, als der Vorerbe nicht bereichert ist. Eine Erstattung der vom Vorerben gezahlten Steuer kommt aber nicht in Betracht, wenn der anrechenbare Betrag der Steuer des Vorerben die vom Nacherben zu entrichtende Steuer übersteigt; auch kann dies nicht zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Erwerbs beim Nacherben führen, denn die Anrechnung stellt lediglich eine Modalität der Steuerberechnung des Nacherben dar und begründet keinen verselbstständigten Anspruch auf eine Geldleistung.