Rz. 21

Bei der Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten muss zunächst untersucht werden, ob die jeweils auszulegende Bestimmung eine einseitige Verfügung oder eine wechselbezügliche Verfügung darstellt. Für Erstere gelten uneingeschränkt die gleichen Rechtsgrundsätze wie bei der Auslegung einseitiger letztwilliger Verfügungen, einschließlich der gesetzlichen Auslegungsregeln.[20] Bei der Auslegung wechselbezüglicher Verfügungen muss der übereinstimmende Wille beider Ehegatten zur Zeit der Testamentserrichtung ermittelt werden.[21] Dies gilt auch für die Ermittlung des mutmaßlichen bzw. hypothetischen Willens der Testierenden.[22] Mögliche Auslegungsergebnisse müssen daraufhin überprüft werden, ob sie auch dem Willen des jeweils anderen Ehegatten entsprochen haben.[23] Stellt man fest, dass kein gemeinsamer Wille der Ehegatten vorlag, so gilt nach den allg. Grundsätzen zu §§ 133, 157 BGB der objektiv dem anderen Ehegatten erkennbare Sinn der jeweiligen wechselbezüglichen Verfügung.[24] Nur so wird sichergestellt, dass die Ehegatten die Möglichkeit haben, sich bei ihren jeweiligen Verfügungen auf die Verfügungen des anderen Teils einzustellen.[25] Erreicht wird somit ein Vertrauensschutz auf das Erklärte.[26]

[20] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 ff. Rn 47; Soergel/Wolf, Vor § 2265 Rn 14.
[21] BGHZ 112, 229; BGH FamRZ 1973, 189; BayObLGZ 1962, 142; BayObLG FamRZ 1976, 549; OLG München ZFE 2009, 280; OLG München FamRZ 2011, 679; KG ZErb 2017, 257.
[22] Palandt/Weidlich, Einf. vor § 2265 Rn 9.
[23] BGHZ 112, 229.
[24] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 ff. Rn 47, Soergel/Wolf, Vor § 2265 Rn 14.
[25] BGH NJW 1993, 256; Palandt/Weidlich, Einf. vor § 2265 Rn 9.
[26] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 ff. Rn 47.

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