Rz. 15
Ungeklärt ist ebenso die Frage, wie sich die Abrechnung gestaltet, wenn ein Rechtsanwalt für einen Auftraggeber das Verfahren aus verschiedenen Rangklassen anordnen lässt bzw. den Beitritt hieraus erklärt. Bedeutsam ist dies vor allem bei der Zwangsversteigerung einer Wohnungseigentümergemeinschaft wegen rückständiger Hausgelder.
Beispiel: Die Gläubigerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), ist im Grundbuch hinter der finanzierenden Bank mit ihren rückständigen Hausgeldforderungen in Höhe von 12.000 EUR unter laufende Nr. 2 eingetragen. Die Bank betreibt aus dem Recht in Abteilung III laufende Nr. 1 die Zwangsversteigerung. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde mit 100.000 EUR festgesetzt. Die Eigentümergemeinschaft tritt dem Verfahren zunächst aus der Rangklasse 2 gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG wegen eines Anspruchs von 5.000 EUR bei. Kurze Zeit später erfolgt ein weiterer Beitritt aus der im Grundbuch eingetragenen Zwangssicherungshypothek aus der Rangklasse 4 und 5 gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4, 5 ZVG wegen des dinglichen und persönlichen Anspruchs. Die Bank löst gemäß § 268 BGB die ihr aus der Rangklasse 2 vorgehende Eigentümergemeinschaft ab, indem sie die 5.000 EUR zahlt und stellt anschließend das Verfahren hieraus ein. Im Versteigerungstermin vertritt der Rechtsanwalt die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Rz. 16
Maßgebend für die Beurteilung, ob mehrfach abgerechnet werden kann, ist die Frage, ob gebührenrechtlich mehrere Angelegenheiten vorliegen oder nicht. Hierzu bestimmt § 18 Abs. 1 Nr. 1, dass jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine besondere Angelegenheit darstellt. Unter dem Begriff der Vollstreckungsmaßnahme ist die vom Gläubiger jeweils gewählte Art der Vollstreckung zu verstehen z.B. Sachpfändung, Forderungspfändung, Immobiliarvollstreckung etc. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus: Bei unterschiedlichen Arten der Vollstreckung entstehen auch mehrfache Gebührenansprüche. Eine Vollstreckungshandlung hingegen ist die einzelne, in einem inneren Zusammenhang stehende Tätigkeit im Rahmen einer solchen Vollstreckungsmaßnahme, z.B. die Stellung des Versteigerungsantrags und spätere Antragstellung auf Verlegung des Versteigerungstermins.
Rz. 17
Der BGH hat entschieden, dass die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilden. Dabei stehen nur die Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, die die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen. Ausgehend von dieser BGH-Rechtsprechung stellt das Betreiben der Zwangsversteigerung aus verschiedenen Rangklassen zunächst eine gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Im vorliegenden Beispiel gilt allerdings die Besonderheit, dass die Eigentümergemeinschaft wegen ihres dinglichen Anspruchs aus der Rangklasse 2 betragsmäßig auf maximal 5 Prozent des festgesetzten Verkehrswertes (hier: 5.000 EUR) beschränkt ist. Für darüber hinausgehende weitere Ansprüche von 7.000 EUR ist die Eigentümergemeinschaft daher zwingend darauf angewiesen, das Verfahren aus der Rangklasse 4 und/oder 5 zu betreiben. Insofern liegen zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten vor:
Rz. 18
Hierbei gilt aber, dass das Betreiben aus der Rangklasse 4 und 5, obwohl zwei unterschiedliche Rangklassen, insgesamt nur eine Angelegenheit darstellt. Denn diese eingeleitete Vollstreckungsmaßnahme hat dasselbe Ziel der Befriedigung – hier: restliche 7.000 EUR.
Der Rechtsanwalt kann daher das Betreiben der Zwangsversteigerung aus den unterschiedlichen Rangklassen wie folgt abrechnen:
I. Zwangsversteigerung aus Rangklasse 2 (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG); Wert: 5.000 EUR
1. |
0,4-Verfahrensgebühr, VV 3311 Nr. 1 |
|
133,60 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
153,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
29,18 EUR |
Gesamt |
|
182,78 EUR |
Eine Terminsgebühr gemäß VV 3311 Nr. 6 entsteht nicht, da das Verfahren vor der Wahrnehmung des Versteigerungstermins durch Ablösung erledigt war. Der Wert zur Berechnung der Gebühr bestimmt sich nach dem Wert des dem Gläubiger zustehenden Rechts, somit 5.000 EUR (§ 26 Nr. 1).
II. Zwangsversteigerung aus Rangklasse 4 und 5 (§ 10 Abs. 1 Nr. 4, 5 ZVG), Wert: 7.000 EUR
1. |
0,4-Verfahrensgebühr, VV 3311 Nr. 1 |
|
178,40 EUR |
2. |
0,4-Terminsgebühr, VV 3311 Nr. 6 |
|
178,40 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
376,80 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
71,59 EUR |
Gesamt |
|
448,39 EUR |
Hier entsteht zusätzlich eine Terminsgebühr gemäß VV 3311 Nr. 6, da der Rech...