A. Gesetzliche Regelung

 

Rz. 1

Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren, also ab Eingang der Akten bei Gericht (VV Vorb. 5.1.2 Abs. 1), erhält der Anwalt die Gebühren nach Unterabschnitt 3. Ergänzend gelten die Allgemeine Gebühr (VV 5100) und die zusätzlichen Gebühren (VV 5115 und 5116).

 

Rz. 2

Eine ausdrückliche Regelung für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem OLG fehlte in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes, da dort nur von den Verfahren vor dem Amtsgericht die Rede war. Daher hat der Gesetzgeber die Überschrift zu Unterabschnitt 3 neu gefasst (eingeführt durch das 2. JuMoG, in Kraft getreten am 31.12.2006).

 

Rz. 3

Die neue Überschrift war erforderlich, weil der Gesetzgeber übersehen hatte, dass das OLG in bestimmten Bußgeldverfahren erstinstanzlich zuständig ist, nämlich in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gemäß § 81 GWB, § 60 WpÜG sowie § 95 EnWG (§ 83 GWB, § 62 WpÜG, § 98 EnWG). Es fehlte insoweit also hier eine Regelung. In der Praxis war daher unklar, ob analog die Gebühren des Anwalts vor dem Amtsgericht anzuwenden waren oder analog die Gebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

B. Umfang der Angelegenheit

 

Rz. 4

Das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren stellt gegenüber dem vorbereitenden Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 dar, wie jetzt durch § 17 Nr. 11 klargestellt worden ist. Bedeutung hat dies für die Frage, ob eine Postentgeltpauschale nach VV 7002 oder zwei Postentgeltpauschalen ausgelöst werden (siehe dazu VV 7002 Rdn 37), sowie für die Berechnung der Kopiekosten nach VV 7000.[1] Für die Gebührenberechnung selbst war diese Frage dagegen immer schon irrelevant.

 

Rz. 5

Das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren beginnt mit dem Eingang der Akten bei Gericht (VV Vorb. 5.1.2. Abs. 1) und endet mit Einstellung des Verfahrens der Rücknahme oder der Verwerfung des Einspruchs oder mit dem Erlass eines Urteils oder eines Beschlusses im Verfahren nach § 72 OWiG, wobei in den beiden letzteren Varianten für den Verteidiger die Einlegung der Rechtsbeschwerde nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 noch zum Rechtszug gehört.

[1] OLG Frankfurt 30.6.2015 – 2 Ws 10/15, AGS 2015, 383 = RVGreport 2015, 345 = NJW-Spezial 2015, 541.

C. Grundgebühr, VV 5100

 

Rz. 6

Wird der Verteidiger im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren erstmals beauftragt, ist er also noch nicht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde tätig gewesen, entsteht für ihn die Grundgebühr nach VV 5100. Dies gilt allerdings nicht, wenn er bereits in einem vorangegangenen Strafverfahren wegen derselben Tat oder Handlung beauftragt war (Anm. Abs. 2 zu VV 5100).

D. Staffelung der Gebühren

 

Rz. 7

Auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren sind die Verfahrensgebühren nach der Höhe des Bußgeldes gestaffelt. Nach dem Wortlaut der VV Vorb. 5.1 Abs. 2 ist stets die Höhe des Bußgeldes maßgebend, das die Verwaltungsbehörde verhängt hat bzw. das nach einer ggf. abändernden Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens noch festgesetzt ist.

 

Beispiel: Die Verwaltungsbehörde hatte wegen einer Tat ermittelt, für die ein Bußgeld i.H.v. 70 EUR angedroht ist. Die Verwaltungsbehörde verhängt letztlich nur ein Bußgeld i.H.v. 40 EUR.

Der Gebührenrahmen für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde richtet sich nach einem Bußgeld zwischen 60 und 5.000 EUR. Die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren richtet sich dagegen nur nach dem Gebührenrahmen für ein Bußgeld von bis zu 60 EUR.

 

Rz. 8

Sofern im gerichtlichen Verfahren ein höheres Bußgeld angedroht wird, etwa weil das Gericht nunmehr vorsätzliche Begehung in den Raum stellt oder von einem qualifizierten Tatbestand ausgeht, muss analog VV Vorb. 5.1 Abs. 2 S. 2 von dem höheren Bußgeld und damit ggf. von dem höheren Gebührenrahmen ausgegangen werden, der sich aus der Androhung ergibt.

 

Beispiel: Die Verwaltungsbehörde hat ein Bußgeld von 40 EUR festgesetzt. Hiergegen wird Einspruch erhoben. Das Gericht stellt fest, dass bereits zahlreiche Voreintragungen vorliegen und geht zudem von vorsätzlicher Begehung aus. Es weist darauf hin, dass hier eine Erhöhung des Bußgeldes auf 70 EUR in Betracht komme.

Der Gebührenrahmen für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde richtet sich nach einem Bußgeld von bis zu 60 EUR. Die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren richtet sich dagegen nach dem Gebührenrahmen für ein Bußgeld von 60 EUR bis 5.000 EUR.

 

Rz. 9

Unterschiedliche Gebührenrahmen können sich auch im Falle einer Verbindung ergeben.

 

Beispiel: Die Verwaltungsbehörde ermittelt in getrennten Verfahren wegen unterschiedlicher Taten, die jeweils mit einem Bußgeld von 40 EUR bedroht sind. Hiergegen wird Einspruch erhoben. Nach Eingang der Akten bei Gericht werden die Verfahren verbunden.

Im gerichtlichen Verfahren ist nur noch eine Angelegenheit gegeben. Maßgebend ist hier der Gebührenrahmen zwischen 60 und 5.000 EUR.

E. Verfahren nach Zurückverweisung

 

Rz. 10

Wird durch das Rechtsbeschwerdegericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, so ist das weitere erstinstanzliche gerichtliche Verfahren eine neue Angelegenheit (§ 21 Abs. 1). Der Anwalt kann also im Verfahren nach Zurückverweisung sämtliche Gebühren mi...

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