BMF, Schreiben v. 12.8.2010, IV A 3 - S 0338/07/10010-03, BStBl I 2010, 642
Bezug: BMF-Schreiben vom 1.4.2009 (BStBl 2009 I S. 510), vom 6.10.2009 (BStBl 2009 I S. 1148) und vom 22.7.2010 (BStBl 2010 I S. …)
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09 entschieden, dass die ab Veranlagungszeitraum 2007 geltende Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, soweit das Abzugsverbot Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann umfasst, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 1.1.2007 zu beseitigen.
Die Gerichte und die Verwaltungsbehörden dürfen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Umfang der von ihm festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.
Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber zügig die zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands erforderlichen gesetzlichen Regelungen schaffen wird.
Nach dem Ergebnis der Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt spätestens ab dem 10.9.2010 Folgendes:
I.
Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ist wie folgt zu verfahren:
1. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO vorläufig ergangene Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide
1.1 Soweit Einkommensteuer- und Feststellungsbescheide hinsichtlich der Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007, § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO vorläufig ergangen sind, ist zur Berücksichtigung dieser Aufwendungen bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung grundsätzlich nichts zu veranlassen.
1.2 Beantragt ein Steuerpflichtiger ausdrücklich, einen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO vorläufig ergangenen Steuer- oder Feststellungsbescheid im Vorgriff auf die Neuregelung zu ändern und dabei Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen, weil ihm für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, bestehen keine Bedenken dagegen, einen nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO vorläufigen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu erlassen, in dem die vorgenannten Aufwendungen bis zu einem Betrag von 1.250 Euro als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings auch, dass die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers und die Höhe der zu berücksichtigenden Aufwendungen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden.
1.3 In den Fällen der Nr. 1.2 ist der Vorläufigkeitsvermerk wie folgt zu erläutern:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer/Feststellung von Einkünften ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09 angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung der Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) vorläufig. Wenn Ihnen für Ihre betriebliche oder berufliche Tätigkeit neben dem häuslichen Arbeitszimmer kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, werden die nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer vorläufig bis zur Höhe von 1.250 Euro berücksichtigt.”
1.4 Wird ein Steuer- oder Feststellungsbescheid aus anderen Gründen geändert oder berichtigt, gilt Abschn. I Nr. 2 des BMF-Schreibens vom 1.4.2009 (BStBl 2009 I S. 510) in der Fassung vom 23.11.2009 (BStBl 2009 I S. 1319) mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer anstelle des bisherigen Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO (vgl. Nr. 1 der bisherigen Anlage zum vorgenannten BMF-Schreiben; zuletzt neu gefasst durch BMF-Schreiben vom 22.7.2010, BStBl 2010 I S. …) nun ein Vorläufigkeitsvermerk entsprechend Nr. 1.3 beizufügen ist.
2. Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhende Einspruchsverfahren
2.1 Einspruchsverfahren gegen Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheide für Veranlagungszeiträume ab 2007, in denen unter Berufung auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängig gewesene Verfahren beantragt wurde, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer über die Regelungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 hinaus steuermindernd zu berücksichtigen, ruhen bisher nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Diese Verfahren ruhen weiterhin bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung; einer Zustimmung des Einspruchsführers hierfür bedarf es nicht.
2.2 Eine im Einspruchsverfahren gewährte Aussetzung der Vollziehung (vgl. BMF-Schreiben vom 6.10.2009, BStBl 2009 I S. 1148) gilt unverändert we...