Leitsatz

In dieser Entscheidung ging es primär um die Frage, unter welchen Voraussetzungen gegen eine volljährige Tochter das Verbot ausgesprochen werden kann, mit ihrer unter Betreuung stehenden, in einem Heim lebenden Mutter Kontakt aufzunehmen.

 

Sachverhalt

Die Mutter der Beschwerdeführerin lebte in einem Seniorenheim und stand seit Oktober 2007 unter Betreuung. Der Betreuerbestellung lag ein Gutachten aus dem Monat September 2007 zugrunde, nachdem bei der Betroffenen eine Demenz vom vaskulären Typus bestand, aufgrund derer sie sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befand. Aufgrund mehrerer Schlaganfälle und zahlreicher Knochenbrüche im Rahmen einer chronischen Polyarthritis und einer schweren Osteoporose war sie im Übrigen körperlich hinfällig.

Die Betreuung umfasste die Aufgabenkreise Personensorge einschließlich der Aufenthaltsbestimmung, Behörden- und Gerichtsangelegenheiten, Entgegennahme und Öffnen der Post, Gesundheitsfürsorge und Vermögensangelegenheiten.

Die Tochter der Betroffenen beantragte die Entpflichtung des Betreuers und warf ihm vor, sein Amt schlecht auszuüben. So habe er ihr gegenüber ein Haus- und Besuchsverbot ausgesprochen, weil sie angeblich versuche, die Betroffene nach Spanien zu verbringen. Sie habe zwar beabsichtigt, ihre Mutter für kurze Zeit nach Spanien mitzunehmen, wie dieses unstreitig in der Vergangenheit schon des Öfteren praktiziert worden sei, akzeptiere jedoch die von dem Betreuer geäußerten Bedenken gegen diese Reise.

Im November 2007 erklärte die Tochter ggü. dem Heimpersonal, mit ihrer Mutter Verwandte besuchen zu wollen. Tatsächlich wurde jedoch dort nur ein Zwischenstopp eingelegt. Anschließend reiste die Tochter mit ihrer Mutter nach Spanien weiter, wo sie mehrere Wochen verblieb. Nach einem nur kurzzeitigen Aufenthalt der Betroffenen in Deutschland wollte die Tochter mit ihr Anfang Januar 2008 erneut eine Spanienreise unternehmen, die daran scheiterte, dass der Betreuer der Betroffenen die Flughafenpolizei informierte, die einen Abflug der Betroffenen verhindern konnte.

Der Betreuer hatte bereits im November 2007 beim AG den Erlass eines Kontaktverbots für die Tochter beantragt. Nach Einholung eines weiteren Gutachtens untersagte das AG mit Beschluss vom 10.1.2008 im Wege der einstweiligen Anordnung der Tochter den Umgang mit ihrer Mutter und drohte ihr im Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld an. Der Antrag der Tochter, den Betreuer der Mutter anzuweisen, das ggü. der Mutter verhängte Ausreiseverbot aufzuheben, wurde zurückgewiesen.

Die hiergegen von der Tochter beim LG eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das LG hat die Beschwerde in Bezug auf den untersagten Umgang als unzulässig verworfen und in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die weitere Beschwerde der Tochter.

 

Entscheidung

Das OLG hielt das Rechtsmittel der Tochter für begründet. Es führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG, weil die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruhe (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

Das LG habe die Beschwerde der Tochter, soweit sie sich gegen das Umgangsverbot richtete, als unzulässig verworfen, weil dieser ein Beschwerderecht insoweit nicht zustehe. Dieser Beurteilung könne nicht gefolgt werden.

Die Beschwerdeberechtigung der Tochter ergebe sich aus § 20 Abs. 1 FGG, da die Tochter durch die vom AG ausgesprochene Untersagung des Umgangs mit ihrer Mutter in ihren aus Art. 6 GG herzuleitenden Rechten verletzt werde.

Unter einem subjektiven Recht i.S.d. § 20 Abs. 1 FGG verstehe man ein durch Gesetz verliehenes oder durch die Rechtsordnung anerkanntes, von der Staatsgewalt geschütztes, dem Beschwerdeführer als sein eigenes Recht zustehendes materielles Recht (BGH NJW 1997, 1855, Keidel/Kuntze/Winkler Kommentar zum FGG § 20 Rz. 7).

Soweit durch eine gerichtliche Maßnahme der Kontakt zwischen Elternteil und Kind eingeschränkt werde oder eine vom Betreuer vorgenommene Einschränkung bestätigt werde, greife dieses in den grundgesetzlich geschützten Kernbereich des Art. 6 GG ein. Der Schutzbereich dieser Vorschrift umfasse auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern (vgl. BVerfG E 57, 170/178 = NJW 1981, 1943).

Die Intensität der Schutzwirkung des in Art. 6 GG verankerten Freiheitsrechts hänge dabei sowohl vom Alter als auch von den Lebensumständen der Familienmitglieder ab. Eine bloße Begegnungsgemeinschaft von Eltern und erwachsenen Kindern genieße einen vergleichsweise schwachen Grundrechtsschutz, jedoch könne dem Eltern-Kind-Verhältnis in der Krisensituation der Persönlichkeit erhöhte Bedeutung für die seelische Stabilisierung von erwachsenen Familienmitgliedern zukommen. Daraus folge, dass der Umgang zwischen Eltern und Kind jedenfalls in Krisensituationen staatlicherseits nur eingeschränkt werden dürfe, wenn der Grundrechtsschutz durch die immanente Schranke anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter zurück...

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